Das unvollendete Wikingerschiff


 

Zuerst ein (nicht ganz ernst zu nehmender) Hinweis von Dr. kart. papp.kleb. Bonden:

 

Warnung!!!
Der hier folgende Baubericht birgt Risiken und Nebenwirkungen. Lesen Sie deshalb vor dem Studium dieses Bauberichtes unbedingt die nachfolgenden Hinweise sorgfältig durch, bevor Sie sich an die Lektüre des Berichtes machen:

Dieser Baubericht kann bei passionierten Modellbauern akute Abwehrreaktionen verschiedener Art hervorrufen. Häufig kommt es zu Schweißausbrüchen, Herzrasen, krampfartigen, nicht kontrollierbaren Muskelkontraktionen sowie erhöhtem Puls. Leser mit Bluthochdruck, nervösem Magen oder Plattfüßen sollten vorher unbedingt ihren Arzt befragen.
In einzelnen Fällen kann es zu Schreikrämpfen, hysterischen Lachanfällen sowie epileptischen Anfällen kommen. Besondere Vorsicht gilt bei der Einnahme vonAntidepressiva, die Wirkung kann vollständig aufgehoben oder sogar in das Gegenteil verwandelt werden.
Vereinzelt tritt Atemnot auf, ein temporärer Verlust der Libido ist in Einzelfällen ebenfalls möglich.


So, nun kann es losgehen. Der nun folgende Baubericht ist aus dem Jahr 2011.

 

Schon seit einiger Zeit geistert in meinem Kopf die Frage, ob ich es schaffen würde, ein Schiffsmodell nur nach Bauplan, also ohne vorgefertigte Ausschneidebögen, zu bauen, und natürlich ein Kartonmodell. Dieser Gedanke hatte sich immer weiter nach vorn gearbeitet.
Seit Anbeginn der Zeit, so will mir scheinen, liegt bei mir ein Bauplan für ein Wikingerschiff herum. Das gute Stück ist vom VEB MOBA Schönbrunn (Thüringen), MOBA steht für Modellbau und Bastelbedarf. Der Bauplan zeigt ein Wikingerschiff im Maßstab 1:25 und 1:50, „nach Unterlagen von W. Hinderer bearbeitet“.

Also kramte ich diese Baupläne hervor. Ein kleines Heftchen „Bauanleitung“ liegt auch noch bei.
Getreu dem Motto „Mut ist die Dummheit der Ahnungslosen“ machte ich mich also ans Werk. Der Bau des Schiffes gestaltete sich ziemlich schnell zu einer Ansammlung von Fragen, Problemen und bitteren Erkenntnissen, aber dennoch, es macht unheimlich viel Spaß!
Zuerst einmal gab es das Problem, dass ich den Bauplan nicht zerschneiden wollte, also musste er kopiert werden. Mein Kopiergerät kann nur bis A 4 – aber Kiel, Planken und Deck waren größer, auch im Maßstab 1:50, für den ich mich vernünftigerweise gleich entschieden hatte. Also wurden die einzelnen Teile nach dem Kopieren auf dem vorgesehenen Karton zusammengeklebt, um dann ausgeschnitten zu werden. Die Spanten und den Kiel habe ich mehrfach ausgeschnitten, die Spanten je zweimal, den Kiel dreimal, um die geforderte Stärke zu erhalten. Gleiches galt für das Deck.

Nachdem alle Spanten ausgeschnitten, zusammengeleimt und kantentechnisch geglättet waren, wurden schon mal ein paar mit dem Kiel und der Decksplatte zusammengesteckt – nun, das sah ja schon mal nach einem Schiff aus.

 

Nun zum Deck: In der Bauanleitung heißt es, man solle die einzelnen Planken durch Striche mit einem harten Bleistift andeuten, im Abstand von 7,5 mm. Eine extra Beplankung sieht der Bauplan also nicht vor. Ich schon. Also schnitt ich mir 7,5 mm breite Kartonstreifen.
Nun überlegte ich, wie ich diese holzfarben bekomme. Da es dunkelbrauner Karton war, den ich extra für solche Sachen gekauft hatte, dachte ich mir, dass eine gewisse Grundstruktur vorhanden sei. Ich versuchte also, mit Farbe so was wie eine Holzstruktur hinzubekommen, aber mit diesem Unterfangen bin ich kläglich gescheitert.

Die Malerei gehört wahrlich nicht zu meinen hervorstechenden Fähigkeiten.
Und hier kam nun eine Idee ins Spiel, die mir ein Modellbaufreund, der aber in Holz baut, eingeflüstert hatte: Er hatte mir berichtet, wie toll eine Beplankung aussieht, die er irgendwo gesehen hat, die mit Holzfurnier gearbeitet worden war. Nun, Furnier war auf die Schnelle nicht zu bekommen und erschien mir für mein Spaßprojekt auch zu teuer, und ich wollte ja sofort weiterarbeiten – also holte ich im Baumarkt um die Ecke Klebefolie mit Holzmuster, zwei verschiedene Farben, Eiche mittel und Eiche hell. Das hellere nahm ich für das Deck, das dunklere sollte dann später für die Beplankung herhalten.
Also wurde ein großes Stück Karton mit Folie beklebt, wieder 7,5 mm breite Streifen ausgeschnitten und mit diesen dann das Deck beplankt. Die Kalfaterung realisierte ich mit der Fadenmethode, das heißt, ich klebte an jede Planke nach dem Verlegen einen Faden schwarzen Takelgarns.

Das Ergebnis hat mich überzeugt, und es sieht auf jeden Fall besser aus, als wenn ich es mit meinen bekleckselten Streifen beplankt hätte.

 

Nun konnte ich das Spantengerüst fertig stellen und das Deck einleimen. Bereits in dieser Phase war zu sehen, dass der Bauplan alles andere als genau ist, und dazu gesellen sich dann noch zwangsweise die winzigen Fehlerchen, die beim Ausschneiden der einzelnen Teile passieren.

Aber egal, sagte ich mir, Augen zu und durch – es sollte ein Test für mich sein, was machbar ist mit meinen Mitteln, die ich habe, also sowohl von Fähigkeiten und Fertigkeiten als auch vom zur Verfügung stehenden übersichtlichen Equipment eines Kartonmodellbauers an Werkzeugen und Hilfsmitteln.
Mal ein Wort zum Steven. Die Silhouette des Drachenkopfes war so im Bauplan – da lasse ich mir noch was Nettes einfallen, keine Bange!


Dann ging es an die Beplankung. Die Planken hatte ich aus einem mit Folie beklebten knapp 1mm starken Karton geschnitten; damit war ich nur geringfügig von den 0,6 mm starken Planken abgewichen, die die Bauanleitung vorsah. Beplankt wurde in Klinkerbauweise.Kurz bevor ich beim vierten Plankenpaar einen entscheidenden Fehler machte, fiel mir ein, dass ab jetzt ja auf jeden Fall auch die Rückseite der Planken interessant werden, da nun so langsam die Oberkante des Decks erreicht war. Also galt es, die Planken auch von der anderen Seite mit Folie zu bekleben. Das löste ich recht elegant, indem ich die vom Schutzpapier befreite Folie mit der Klebefläche nach oben auf meinem Tisch fixierte, dann vorsichtig die Planken mit der weißen Seite auf die Folie klebte, die einzelnen Planken fest andrückte und dann die Schneidematte unterschob, um mit einem scharfen Cuttermesser die Planken sauber auszuschneiden. Vorher wurde jede an einem Ende mit der jeweiligen Nummer markiert, damit ich später noch wusste, welche denn jetzt dran war.

 

Das Plankenkleben war eine recht langwierige Angelegenheit. Ich merkte schnell, dass hier mit Eile nichts Vernünftiges erreicht wird. Also klebte ich eine Planke immer erst einmal von der Mitte beginnend bis auf Höhe des viertletzten Spants an jedem Ende, lies das ordentlich fest werden und befestigte dann erst den Rest, wobei ich nun in zunehmendem Maße Wäscheklammern zu Hilfe nehme.

 

Zum Leim: Auch hier bleibe ich beim Weißleim. Sicher ist er nicht das Optimale zum Verkleben von Folie, denn hier klebt ja nun Folie auf Folie und nur die Berührungspunkte an den Spanten sind noch aus Karton. Was aber beim Weißleim praktisch ist, ist die Tatsache, dass sich überquellender Leim rückstandslos von der Folie entfernen lässt, was beispielsweise bei UHU-Alleskleber nicht der Fall ist. Bei einer Planke hatte ich auch mit Sekundenkleber geprobt, das ging zwar schön schnell, aber an den Klebepunkten an den Spanten verfärbt dieser Kleber im Nachgang die Folie und hinterlässt einen seltsamen grauweißen Schimmer, der nur sehr schwer wieder abzukratzen geht. Also bleibe ich beim Weißleim und bin geduldig.

Zwischendurch bringe ich nach und nach die Querhölzer auf dem Deck an. Dazu schneide ich kleine Streifen passgenau und umklebe sie wieder mit Folie.

Was ich jetzt schon erkenne, ist eine riesige Lücke zwischen der Deckskante und der Beplankung. Wie ich damit umgehe, weiß ich im Moment noch nicht, da denke ich noch dran herum.

 

Nächstes Problem ist der Mastfuß. Der Bauplan zeigt zwar ein paar Maße, überlässt einem aber nun den Rest. Würde ich das Teil aus einem Holzklotz schnitzen, wäre es weniger problematisch, aber so wurde es eine kleine Herausforderung, was die Konstruktion eines kartonmodellbautechnisch machbaren Teils anbelangt: Der Mastfuß hat eine rechteckige Grundform. Unten beträgt die Kantenlänge 72 x 18 cm. Die Seitenflächen sind trapezförmig, die Höhe des Mastfußes beträgt 1,2 cm, und die obere Fläche beträgt 18 x 8 cm. Hobbymathematiker können ja jetzt mal die Kantenlänge der vier schräg nach oben führenden Seiten errechnen.
Ich habe es jedenfalls rausbekommen (dem Inschinör ist nichts zu schwör) und danach das hier entworfen.

Das wiederum auf ein Stück mit Folie beklebten dünneren Karton gepappt, ausgeschnitten und gefaltet – nee, das geht so nicht. Der Karton samt Folie ist noch immer zu dick, also muss ich da noch ein wenig experimentieren.

 

Das nächste Problem, was sich auftut, ist der Bug und das Heck im Innenbereich. Man sieht ja auf den Bildern vom Decksteil, dass dies nicht bis in die Spitze reicht. Blöd, hätte mir ja vielleicht vorher auffallenkönnen. Also muss ich mir da auch noch was einfallen lassen.

Ich habe auch verschiedene Literatur bemüht, um mehr über Wikingerschiffe zu erfahren, aber das, was ich da so gefunden habe, ist nur bedingt hilfreich, zumal ich bei dem Modell auch das Gefühl habe, dass es jetzt nicht einem ganz bestimmten Schiff (also z.B. Oseberg oder Gokstad) nachempfunden wurde, sondern so ein wenig ein „Querbeetmodell“ darstellt.


Heiter gestimmt hat mich diese Aussage in Jochen von Fircks Buch „Wikingerschiffe“ im Kapitel „Zum Modellnachbau von Wikingerschiffen“:

 

"Der Modellnachbau der Wikingerfahrzeuge erfordert ausgeprägte handwerkliche Fertigkeiten, die ein Anfänger im allgemeinen nicht besitzt."

 

Es geht doch nichts über eine nette Motivation!

Irgendwann wurde mir das mit dem Beplanken zu blöd, zumal ich merkte, dass der Weißleim doch nicht so optimal ist. Also kehrte ich zum Sekundenleim zurück, bemühte mich, vorsichtig zu arbeiten und stellte fest, dass man diese grau-weiß schimmernden Ränder sehr gut mit verdünnter Revellfarbe Matt 84 verdecken kann, ohne dass es großartig auffällt.
Als dann die Beplankung fertig war, schaute ich mir mein Werk an und fand, dass es schlecht war. Die schon weiter vorn beschriebene Lücke zwischen dem Decksrand und den Planken sieht doof aus, und Versuche, mit entsprechenden Streifchen irgendeine halbwegs hübsch aussehende Lösung hinzubekommen, waren alle zum Scheitern verdammt, da mir das Ergebnis so gar nicht gefiel.
Zwar als reines Spaßprojekt gestartet, wird der Kahn nun aber doch so langsam auch mit Ehrgeiz beladen. Kurzerhand riss ich das Deck raus.

Ein Fehler vom Anfang kam mir dabei gerade recht, denn ich hatte beim Zusammenkleben der beiden Deckslagen mit Sprühkleber gearbeitet und bei diesen Teilen nicht beachtet, dass man den Sprühkleber beidseitig aufträgt, dann so 10 bis 15 Minuten warten und dann die beiden Teile unter festem Druck zusammenpresst. Meine Methode war: Sprüh – Kleb – Drück – Ausschneid. Dadurch hielt die Verbindung nur schlecht und ich konnte die obere, beplankte Lage sauber abziehen. Die untere wurde dann unter wilder animalischer Zerstörungswut von den Spanten und dem Innenkiel gefetzt.

So, ich brauchte also ein Deck, welches passgenau in mein beplanktes Spantengerüst eingebaut werden kann. Ich legte die rausgerissene Deckplatte auf ein weißes Blatt Papier, malte die Konturen nach und legte das Ding wieder ins Schiff. Dann nahm ich Maß (Messen ist Wissen, sagt der Inschinöhr!), und zwar je zweimal zwischen den jeweils benachbarten Spanten. Teilweise betrug der Abstand mehr als 5 mm – so viele Fehler beim Ausschneiden kann ich gar nicht gemacht haben! Dass sich Holz im Laufe der Zeit verändert, wenn es lange lagert, ist bekannt, dass das offenbar auch mit Bauplänen passiert, war mir neu...
Die Abstände notierte ich dann auf meiner Umrisszeichnung.

 

Nun kopierte ich mir erneut die Deckplatte aus dem Bauplan, punktete dort die gemessenen Abstände und zog danach den neuen Umriss des Decks. Ausschneiden, Aussparungen für die Spanten rein, und dann rein ins Schiff, zur Anprobe. Was ganz wichtig war: Ich löste so auch gleich das Problem mit den fehlenden Spitzen in Bug und Heck, wo ja der Bauplan rein gar nichts vorgesehen hatte.
Nachdem ich mein Papierdeck dann passgenau zurechtgeschnitzt hatte, übertrug ich die Konturen auf guten 1mm-Karton und schnitt erneut aus. Auch hier wurden noch kleine Anpassungen vorgenommen, und jetzt endlich habe ich das Gefühl, ein Deck zu haben, welches auch passt!

Dann wurde ich gebeten, mal eine Cent-Münze daneben zu legen, auf dass man einen Größenvergleich hat. Aber warum sich immer so in Armut hüllen? Muss es denn unbedingt immer die kleinste Münze sein als Größenvergleich? Ein bunter Zettel tut es doch auch, dachte ich mir.

Dieses neue Deck wurde dann jedenfalls wieder nach der schon erfolgreich exerzierten Methode beplankt.
Und hier mal den Vergleich altes und neues Deck - unglaublich, was da für ein Fehler im Bauplan steckt - und ich habe da extra nochmal gründlich nachgemessen, ob der Fehler nicht doch bei mir lag.

 

Die nächsten Gedanken muss ich mir dann zum Dollbord machen. Im Bauplan heißt es dazu lapidar: Die Oberkante der letzten Planke wird durch Einleimen einer 1,5 x 2 mm-Leiste verstärkt – dadurch entsteht das Dollbord. Aha! Was ich mir aufgehoben habe, sind die Kartonreste vom Ausschneiden des letzten Spantes, dadurch habe ich auf jeden Fall erstmal die passgenaue Oberkante. Was ich damit wie mache, weiß ich auch noch nicht. Vorder- und Achtersteven bedürfen auch noch einer Verschönerung, es ist mir nicht gelungen, die Planken-Enden so hinzubekommen, dass sie fein ausgerichtet eine einheitliche Linie ergeben.

Nun noch einmal zum Rumpf. Die weißen Schnittkanten der Planken mussten auch irgendwie wegkommen, und auch dafür nahm ich Revellfarbe. Blöd, dass immer wieder etwas Farbe auf die Oberflächen kam. Ich versuchte, die schnell mit Revell-Verdünnung wegzuwischen - und das war genial! Die Verdünnung verteilte die Farbe gleichmäßig, nahm der Folie etwas von ihrem Glanz und ließ so die Oberfläche ein wenig natürlicher, eben holzartiger aussehen - Bild 1 das vorher-Foto; auf Bild 2 sieht man die Veränderung gut an der rechten Schiffsseite.

 

Dann wurde das neue Deck eingeklebt - jepp, so soll es aussehen!

 

Dann habe ich mir Gedanken wegen der Ruder gemacht. Die sollte man ja auch irgendwie aus Holz bauen, aber ich wollte ja weiter beim Karton bleiben, und ich wollte keine flachen Pappstreifen. Also fertigte ich mir vom Bauplan eine Schablone eines Riemens und schnitt danach mit etwas Zugabe 28 gleiche Teile aus. Dann wurde jeweils ein Zahnstocher genommen und der Karton da drumgewickelt - sieht man hier gut auf den Bildern.

Und nachdem der erste Riemen so gut gelungen war, waren dann auch schnell die restlichen fertig.

 

Tja, und das war's dann auch.

Hier war Schluss, irgendwie war die Motivation dahin, das ganze hat mich nicht mehr zufrieden gestimmt. Außerdem hatte ich zu der Zeit die Papegojan von Shipyard bestellt, und kaum war die da, hatte ich keinen Blick mehr für das Wikingerschiff. Und nach der Papegojan kam die Mercury, an der ich wohl noch etliche Zeit zu bauen habe, und dann liegt da ja schon der nächste Bausatz (russische Brigg Olymp)...
Aber wer weiß, vielleicht, vielleicht...

 

Ich würde heute ganz, ganz viel ganz anders machen. So zum Beispiel käme diese Folie nicht wieder zum Einsatz; da würde ich es dann doch mal mit Furnierstreifen probieren - nur um mal ein Beispiel zu nennen.

Auf jeden Fall gehört das Wikingerschiff mit zu meinen kartonalen Werken und soll daher hier auch gezeigt werden.