Baubericht HMS Mercury, Kapitel 23: Butluvspieren; Kattblöcke, Großstagkragen


Butluvspieren

 

4. November 2016

So, heute geht's um Butluv-Spieren. Was ist denn das schon wieder, fragt sich jetzt vielleicht der eine oder die andere. Nun, das sind diese beiden langen Hölzer am Bug eines Segelschiffes, die jeweils schräg nach unten zeigen, so als wollten sie die Wellen aufspießen.
Butluvs sind wichtig zur Bedienung des Focksegels, und zwar speziell um die dem Wind zugewandte untere Ecke dieses Segels, Luv-Schothorn genannt, möglichst weit in den Wind zu stellen, um ein Killen des Segels zu verhindern. Da das Schiff nun mal da vorn irgendwann zu Ende ist, zumindest die normal begehbare Fläche, sprich das Vordeck, so dass da keiner mehr mit einer Leine weiterlaufen und daran ziehen kann, bedient man sich eben dieser Butluvs. Später, wenn es so richtig losgeht mit dem Auftakeln, zeige ich das mal ganz praktisch.

Shipyard hat keinerlei Hinweise, wie man diese befestigt. Es wäre ja zum Beispiel möglich gewesen, entsprechende Öffnungen vorzusehen - aber das wäre ja zu einfach. Außerdem war die im Bauplan vorgesehene Länge der Butluvspieren ein Witz - viel zu kurz. Es gibt da eine Methode, wie man die Länge und den ungefähren äußeren Endpunkt der Spiere bestimmt; an die habe ich mich gehalten.
Eine kleine Konzessionsentscheidung habe ich getroffen: In "meiner" Zeit waren die Butluvspieren noch leicht gebogen, wurden erst kurze Zeit später gerade. Ich habe einfach mal unterstellt, dass die Mercury nach einem Gefecht ins Dock musste und dort die alten Butluvs ausgetauscht wurden. 

Aus entsprechenden dünnen Rundhölzern wurden die beiden Spieren gefertigt, also ordentlich abgelängt, fein geschliffen, die Nock herausgearbeitet und dann gestrichen. An das Ende kommt ein Schulterblock, und zwar so, dass die Schulter ihren Zweck erfüllt, nämlich zu verhindern, dass das später durchlaufende Tau sich bei ungünstigem Winkel bekneift.
Hier die beiden Spieren, auf dem zweiten Bild erkennt man die Schulterblöcke sehr gut. (Diese sind übrigens aus gelaserten Einzelteilen hergestellt, allerdings nicht aus Karton, das sind Blöcke aus meiner USA-Lieferung).

 

Nun ging es ans Befestigen. Dazu bohrte ich mir auf jede Seite des Vorstevens ein dünnes Loch in der gleichen Richtung wie später die Spieren verlaufen. Ich hatte nicht vor, den Holzstab durch den Karton zu schieben; vielmehr bohrte ich das untere Ende der Spieren vorsichtig auf, befestigte einen aus einer Hemdennadel gefertigten Metallstift, feilte vorher das Ende der Spiere leicht schräg, so dass es später glatt anliegen konnte und befestigte die Spieren dann mit Ponal Turbo ordentlich an Ort und Stelle.

Man sieht im zweiten und dritten Bild die vom Bugspriet runterbaumelnden Backstage. Die musste ich abnehmen, da sie mir im Weg waren, aber sie waren danach blitzschnell wieder drangehängt.
Es fehlen noch die Wanten, die die Butluvspieren stützen. Die fertige ich "an Land" und schiebe sie dann nur über die Nock; erste Trockenübungen dazu waren erfolgreich. Kommt demnächst.

 

Kattblöcke

 

Die weiter vorn gezeigten neuen Blöcke aus Übersee verleiten einen geradezu, doch schon mal hier und da was zu machen mit ihnen. Also habe ich die zu den Kranbalken gehörenden Kattblöcke mit entsprechenden Tauen befestigt. Die Kattblöcke werden benötigt, um - und daher der Name - den Anker zu katten, also nach dem Hochziehen wieder ordentlich an der Bordwand zu befestigen. Es handelt sich um Dreifachblöcke; dadurch entsteht durch das Flaschenzugprinzip eine Kräfteaufteilung, die es ermöglicht, mit viel Manpower den sehr schweren Anker zu bewegen. Es funktioniert auch am Modell: Wenn ich am Ende des Taljereeps ziehe, kommt der Kattblock nach. Ich habe den beiden Pflichtankern eine erste Hängeprobe gegönnt und sie dann schon mal probeweise auf die Rüsten gelegt. Natürlich fehlt da noch das dicke Ankertau, aber im derzeitigen Stadium will ich die anker noch gar nicht dort haben, sie würden nur stören, wenn ich dann bald die Wanten steifsetze. Aber man ahnt bei diesen Bildern schon, was das für gewaltige Hoschies waren und wie schwer die gewesen sein müssen!

 

Großstagkragen

 

6. November 2016

Was macht jemand wie ich, der zum ersten Mal in seinem Leben eine Fregatte aus dem 18. Jahrhundert baut? Richtig: Fehler! 

Ich muss gestehen, als ich am 13. April 2014 das Galion zusammengebaut habe, habe ich mir keine Gedanken gemacht, was dieses Loch in dem Teil da soll. Im zweiten Bild sieht man das Loch nochmal; später war es dann hinter den Galionsspanten und Galionsregeln verschwunden:

Und so nahm das Unglück seinen Lauf. Das Galion wurde fertig gebaut, und lange Zeit war alles gut. Bis heute. Heute habe ich mich mal wieder intensiv mit dem beschäftigt, was so in absehbarer Zeit auf mich zukommt. Und dabei las ich dann auch im Schrage über den Stagkragen des Großstages. Kenner grinsen jetzt schon mitleidig: Genau - das Loch im Schegknie dient der Führung des Stagkragens. Wie soll ich den da jetzt noch reinbekommen? Nun kann man ja immer mal das Eine oder Andere abreißen, aber an dieser Stelle wäre es ein irreparables Gemetzel geworden.

Um mal zu zeigen, wie es später aussieht, wenn man es richtig baut und damit deutlich wird, was ich meine, hier ein Bild eines Modells einer Fregatte ähnlicher Bauart: Klick mich! Man sieht von links oben ins Bild kommend das Stag des Großmastes. Dann kommt die Herzkausche, das Taljereep und die Gegenkausche des Stagkragens. Gut zu sehen, wie die beiden Seiten des Stagkragens links und rechts neben dem Bugspriet in der Galionsgräting verschwinden. Dort unten läuft das alles dann durch unser oben gezeigtes Loch in dem Schegknie genannten Teil.
Taj, nun war guter Rat teuer. 
Alternative 1: Den Kragen nur um den Bugspriet schlingen - ging ja bei der Papegojan auch.
Alternative 2: Eine elegantere Lösung finden.
Alle mal die Hand heben, die sich für Alternative 1 entschieden hätten? - Ok, ich mich auch nicht.
Nach gründlicher Überlegung wurde beschlossen: Ich baue einen "offenen" Kragen, dessen beide Enden ich durch die Galionsgrätig popele, damit es aussieht wie richtig. Aber ich wusste, dass es trotzdem auch fest sein musste, schließlich wirken hier auch Zugkräfte.

Achtung! Hier bitte den folgenden Eintrag vom 15. Dezember beachten!
Zuerst wurde der Kragen gebaut. Ich kleedete ein selbstgeschlagenenes Tau, welches ich aus 3x0,75mm Amati-Garn geschlagen hatte, band eine Herzkausche ein, legte an einem Ende eine Bucht und band daran ein kurzes Stück des gekleedeten Taus fest.

Mit viel Geduld gelang es mir dann, zwischen den Galionsregeln hindurch ein 0,75-mm-Tau zu schieben, damit das Loch im Schegknie zu treffen und an der anderen Seite wieder rauszukommen. Nun wurden die Enden von unten durch die an den entsprechenden Stellen etwas aufgeschnittene Gräting geschoben.
Dann band ich die beiden Enden meines durch das Knieloch geschobenen Taus an die Enden meines offenen Kragen, richtig schön fest, mit vielen Windungen und noch mehr Leim.

Jetzt kam der spannende Moment: Vorsichtig an den Enden ziehend setzte ich den Kragen steif, und das so, dass man ihm nicht ansah, dass unter der Gräting die Dinge nicht so sind, wie sie sein sollten.

Jetzt kam das nicht leichte Unterfangen, das ganze Gebilde auch fest zu bekommen. Irgendwie ist es mir jedenfalls gelungen, die beiden Enden fest zuverknoten, zusätzlich wurden beide Enden dann noch zweimal durch die Öffnung für die Zurring gezogen, unauffällig verleimt und die Enden gekappt. Mehrere kräftige Zugproben am Kragen zeigen, dass es richtig gut fest ist. Puh, das ging nochmal gut!
Die Butluv-Spieren, von denen ich ja vor kurzem berichtete, habe ich für diese Operation nochmal abgenommen. Nachdem dann der Stagkragen ordnungsgemäß saß, habe ich sie wieder angebaut - diesmal aber richtig, das heißt, auch mit den Wanten, die diese Spieren später gegen den Druck, der von den Schoten des Focksegels kommt, schützen. Dazu wurde an der Nock jeder Spiere zuerst ein gekleedeter Stropp mit einer Kausche angebracht. Die Wanten bestehen jeweils aus zwei Enden; in der Mitte wird ebenfalls eine Kausche eingebunden, an die beiden Enden kommen Haken. Die richtige Länge muss man sich vorher ausmessen. In die Bordwand wird auf jeder Seite einmal am Scheg, also dem Teil, auf dem unser Freddy sitzt, sowie an der Bordwand in der Nähe des Hakens für das Backstag ein Augbolzen eingelassen. Jetzt werden die beiden Kauschen mit einem Taljereep locker verbunden, die Wanten werden in die Augbolzen eingehängt und mit dem Taljereep wird das ganze Konstrukt straff gespannt und dann belegt. Und so schaut das fertig aus:

 

Notwendige Korrektur am Großstagkragen

 

An dieser Stelle kommt ein unchronologischer Beitrag. Es ist mir wichtig, das bereits hier zu zeigen, für den Fall, dass Menschen, die sich ebenfalls an diesem tollen Bausatz abarbeiten, sich hier Orientierungen holen:

 

15. Dezember 2016

Immer diese Unzufriedenheit mit dem eigenen Tun! Aber es ist hilfreich. Immer wieder habe ich mir meinen toll getricksten Stagkragen angeschaut, wie er da so über den Rand des Vordecks schaut und auf sein Gegenstück, das untere Ende des Großstags mit der dort eingebundenen Herzkausche, wartet. Und ich erkannte, dass der Stagkragen zu lang geraten ist. Auf dem ersten Bild wird das deutlich. Stellt man sich jetzt vor, dass da, wo jetzt die beiden dünnen Fäden sind, das Großstag verläuft und die beiden Herzkauschen mit einem Taljereep verbunden sind, um das Stag straff zu halten, sieht man, dass die Gefahr besteht, dass die obere Kausche direkt am Fockmast anliegt. Das darf nicht sein; die beiden Kauschen müssen so angebracht sein, dass sie in dieser Ansicht deutlich vor dem Fockmast sind. also galt es, den Kragen zu kürzen. Weiter vorn habe ich gezeigt, wie aufwändig es war, den Großstagkragen so anzubringen, wie er jetzt dran ist. Das nochmal abzureißen wollte ich mir nicht antun - ich hätte dabei zu viel irreparablen Schaden angerichtet.
Also habe ich vorsichtig die Herzkausche aus dem Kragen gelöst. Anschließend habe ich die nun leere Schlaufe aufgeschnitten und verkürzt, und das so, dass die Schnittstellen genau unter der Bindselung unterhalb der Kausche liegen, also zum einen nicht zu sehen sind und zum anderen wieder fest eingebunden sind. Anschließend noch vorsichtig mit Sekundenkleber getränkt, und schon sieht es wieder gut aus - und die Länge stimmt jetzt:

Puh, das ging ja grad mal noch so gut!