Baubericht HMS Mercury, Kapitel 11: Kanonen; kleine Kanonentakelkunde


 30. Mai 2014
Heute gibt es mal wieder was zum Zeigen.
Irgendwann muss ich ja mal anfangen mit dem Kanonentakeln. Schließlich will ich ja bald das Vor- und Achterdeck schließen, und das geht nun mal nicht, bevor die Geschütze am richtigen Platz sind.
Dem Bausatz liegen Messingrohre in drei verschiedenen Größen bei. Da sind 24 Neunpfünder, 6 Dreipfünder sowie 12 kleine Drehbassen. (Die 4 Karronaden sind aus Plastik - schade. Da muss ich mal sehen, wie ich die dann so anmale, dass sie zu den anderen Rohren passen.)
Ein erster Akt war, die Schildzapfen durch die Rohre zu bekommen. Bei den Dreipfündern war das kein Problem, aber bei den großen Wummen musste ich wirklich jede Bohrung nacharbeiten. Aber dann war es geschafft.
So goldig glänzend können die natürlich nicht bleiben. Also kamen die Teile ins Brünierbad. Ich verwende Brünierbeize von Fohrmann; die gibt es aktuell nicht mehr im Handel, schade, denn ich bin recht zufrieden mit dem Zeug. Das Ergebnis überzeugt mich.  Und eins der Rohre mal probeweise auf eine Lafette gesetzt macht einen soliden Eindruck.

Nun habe ich die erste Lafette getakelt. Von der Fummelei habe ich leider keine Bilder; ich war so vertieft in die Arbeit, dass ich völlig vergessen habe, Fotopausen zu machen. Das erste Geschütz wollte ich funktionsfähig takeln - schaut selbst:

In dieser Position ist das Geschütz zum Feuern bereit. Was passiert beim Abfeuern? Das Geschütz macht durch den Rückstoß einen gewaltigen Satz nach hinten. Das Brooktau, das ist das dicke Tau, welches um das Rohrende gewickelt ist, verhindert, dass die Lafette samt Rohr ausbricht und schlimmstenfalls die gegenüberliegende Bordwand zerschlägt und auf Nimmerwiedersehen im Meer verschwindet.

 

Das Brooktau muss so bemessen sein, dass, wenn das Geschütz mittels des Rückholtakels - das ist das am Ende der Lafette angebrachte Tau, welches durch zwei einfache Blöcke geschoren wird - nach binnenbords gezogen wird, genügend Platz bleibt, um neu zu laden. Wie man sieht, klappt das hier.

Zugegeben, der Loader muss sich mit dem Ladestock aus der Stückpforte lehnen, um seinen Job zu machen, und er kann nur hoffen, dass ihm der Ladestock nicht runterfällt, aber das war nun mal gängige Praxis damals.

So ganz zufrieden bin ich noch nicht mit dem Ergebnis; aber da dieses Geschütz ja später unter dem Vordeck verschwindet, lasse ich es so. Natürlich werde ich die Lafette noch sehr fest arretieren, damit mir das Geschütz nicht nach innen abhaut, wenn ich beim weiteren Bau mal aus Versehen von außen gegen das vorstehende Rohr drücke.
Ach ja, ich habe sämtliche Takel erst angebracht und dann das Geschütz an Deck befestigt. Heute noch freihändig, ich will mir aber eine kleine Battlestation bauen, um dort Geschütz für Geschütz aufzubereiten.

 

 

Kleiner Nachtrag: Bevor man jetzt auf die Idee kommt und vorschlägt, dann doch wenigstens bei den Geschützen unter dem Vordeck mehr Leine zu geben, da wäre doch mehr Platz... Weit gefehlt! Ich habe mal einen Teil dessen, was dort später sein wird, hingestellt - und allein beim Ofen dürfte klar sein, dass man zwar so einiges beim Gefecht wegräumen kann, nicht aber dieses Teil.


Meine kleine Battle-Station

 

Ich hatte ja geschrieben, dass ich mir zum Kanonentakeln eine Battlestation bauen will - hier ist sie schon.
Da kommen jetzt noch zwei Haken zum Einhängen der Augbolzen für das Brooktau in die Bordwand sowie diverse Halterungen an Deck, um Seiten- und Rückholtakel zu fixieren. Ich hoffe mal, dann geht das alles etwas flotter und vor allem leichter.

Mit dem kleinen Geschützdeck-Ausschnitt arbeitet es sich doch besser als wenn man die Wummen freihändig oder gar direkt an Bord takelt.
So vorbereitet ist es wesentlich angenehmer, die Kanone an ihren endgültigen Platz zu bringen. Die beweglichen Taue habe ich mit Ponal Turbokleber an Deck befestigt und die überschüssigen Enden abgeschnitten. Wären diese Geschütze später frei sichtbar, würde ich noch ordentlich aufgeschossene Taurollen darüber anbringen; hier unter dem Vordeck spare ich mir das, da man später davon ja sowieso nichts mehr sieht.
Auf jeden Fall ist meine Fregatte jetzt nicht mehr völlig wehrlos.


 2. Juni 2014
Bei diesem Arbeitsstand ging es heute weiter.

 

Manchmal hilft es, über einmal Geplantes nochmal nachzudenken. Und so verwarf ich mein Vorhaben, nach dem Einsetzen der vier Geschütze im Bugbereich das Vordeck zu schließen. Stattdessen werde ich jetzt sämtliche Kanonen auf dem Hauptdeck takeln und anbringen und erst dann Vor- und Achterdeck schließen. Das ist besonders der Vorsicht geschuldet: Angenommen, ich versaue aus irgend einem Grund eine Lafette im auch später noch sichtbaren Bereich. Kann ja passieren. Jetzt habe ich die Möglichkeit, sie gegen eine andere auszutauschen und dann eben bei einem Geschütz unter Deck zu mogeln; sind die beiden Decks geschlossen, geht das nicht mehr. Außerdem hat Serienproduktion auch was, man hat recht schnell ein gewisses Arbeitsschema, und es geht immer flotter von der Hand. Also habe ich heute Akkordarbeit geleistet und 20 Lafetten am Stück produziert. (Oh je, und das am Sonntag - hoffentlich kriegt das die Gewerkschaft nicht mit!)

Weiter vorn hatte ich ja schon mal gezeigt, wie die Lafetten gebaut werden. Die winzigsten Teile sieht man im 1. Bild.
Sind wichtig, denn das sind die Achsen, wie Bild 2 zeigt.
Die größte Herausforderung dabei war, diese Winzlinge in einem Stück aus dem dicken Finnpappe-Bogen zu bekommen. Seltsamerweise ist mir das bei allen gelungen, ohne das auch nur ein Teil zerfaserte. Etliche Zeit später standen die blanken Lafetten dann Spalier. Freie Stückpforten am Schiff zählen, mit zwei multiplizieren, Lafetten zählen - Ergebnis lautet: 20 = 20. Stimmt also!
Nun wurde fleißig der Pinsel geschwungen, und hier passierte dann das, was vorhin nicht passiert ist: Einige der Achsenteilchen lösten sich plötzlich in dünne Einzelplättchen auf! Nachdem mir das zum zweiten Mal passierte, nahm ich Sekundenleim und tröpfelte ihn auf jedes Rad. Danach war alles fest und ich konnte in Ruhe weiterpinseln. Und am Ende kann sich das Tagewerk durchaus blicken lassen.


Kleine Kanonentakelkunde

 

Warum nicht mal zeigen, wie so eine Kanone getakelt wird? Es gibt ja immer wieder Menschen, die sowas zum ersten Mal machen und sich dann vielleicht freuen, wenn es mal im Detail gezeigt wird.
Wir benötigen für ein Geschütz zwei Augbolzen 3x12 mm, 4 Augbolzen 2x8 mm, 6 Blöcke 1mm, Takelgarn 0,1 mm (von Amati), Takelgarn 0,75 (von Constructo), eine Lafette, ein Kanonenrohr, Messer, Pinzette und Ponal Turbokleber - ach ja, und den besten Freund des Kartonbauers, den Zahnstocher nicht vergessen!

Zuerst binde ich die beiden größeren Augbolzen ein, dazu nehme ich das 0,75mm-Garn. Das wird das Brooktau. Um es mit dem Rohrende zu verbinden, drehe ich das Garn in der Mitte auf und stecke das kleine dicke Ende, den sog. Knauf, da durch. Zum fixieren tupfe ich etwas Turbokleber links und rechts vom Knauf auf das Garn und massiere es mit einem Zahnstocher ein. Damit ist dann auch der Job des 0,75-mm-Garns erledigt.
Nun werden die Blöcke eingebunden. Drei Stück werden nur mit einem Augbolzen verbunden; zwei davon kommen links und rechts an die Lafette und gewährleisten später die Bedienung des Ladetakels. Der dritte kommt später direkt in das Deck für das Rückholtakel. Block Nummer 4 wird auch mit einem Augbolzen verbunden, erhält aber zusätzlich am anderen Ende noch ein längeres Stück Takelgarn. Der kommt dann an das hintere Ende der Lafette und ist das Gegenstück zum Block 3, also ebenfalls für das Rückholtakel zuständig. Block 5 und 6 schließlich bekommen ebenfalls an einem Ende ein längeres Taustück spendiert und werden mit den Augbolzen, die das Brooktau halten, verbunden. Das werden dann logischerweise die Ladetakel.

Nun muss das alles in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht werden. Um zu testen, ob alles passt und funktioniert, setze ich mein Geschütz in meine extra dafür gebaute Battlestation ein.
Ja, passt, und ich sehe, dass ich die Schildzapfengurte vergessen habe. Diese verhinderten in der Praxis, dass das Geschütz beim Feuern aus der Lafette springt; es waren zwei an Scharnieren angebrachte und mit Sperrketten gesicherte Eisen, die über den Schildzapfen angebracht waren. Ich stelle sie einfach durch einen schwarz gefärbten Papierstreifen dar. Dann wird es auch schon ernst, und das Geschütz kommt an seinen endgültigen Platz. Die Taue der Takel klebe ich mit einem winzigen Tupfer Turbokleber an Deck fest und schneide den Rest ab.
Jetzt fertige ich mir noch schnell Taurollen, die ich auf die Enden der abgeschnittenen Takel klebe - und schon isses fertig.
 
Nettobauzeit für ein Geschütz ca. 90 Minuten. Ich bewundere Werftkollegen, die ein ganzes Kanonedeck am Stück durchtakeln. Aber mein Ding ist das nicht, ich brauche Abwechslung, also baue ich immer mal wieder mal anderes. Irgendwann ist auch die letzte Kanone an Deck, da bin ich mir sicher!

Ach ja, falls jetzt jemand entdeckt hat, dass da ja bei den Nachbarkanonen noch die Taurollen fehlen: Ich weiß, aber just vorhin ist mein Takelgarn zu Ende gegangen, und meine am Mittwoch abgeschickte Bestellung ist leider noch nicht realisiert worden. Aber jetzt kommt ja wieder eine Arbeitswoche, ich bin also eh nicht zu Hause. Und falls am Freitag noch immer kein Garn da ist, baue ich eben was anderes.