August 2020
Zugegeben: Bitterfeld ist nicht unbedingt die erste Adresse, unter der man ein Segelschiff und dann auch noch ein aktiv fahrendes vermutet. Und doch ist es so.
Bitterfeld liegt mitten in Sachsen/Anhalt. Zu DDR-Zeiten war die Gegend berühmt-berüchtigt wegen der vielen Chemiebetriebe, die hier eifrig und höchst effizient die Umwelt verpesteten. Dann gab es in der Umgebung auch noch einen Braunkohletagebau neben dem anderen.
Nach der Wende und dem Zusammenbruch der Industrie im Osten dauerte es einige Jahre, bis aus dieser Region etwas ganz anderes wurde. Der Braunkohletagebau wurde stillgelegt, die Chemiebetriebe weitestgehend geschlossen. In einem enormen Kraftakt wurden die ehemaligen Tagebaue renaturisiert, und so entstand u.a. dicht bei Bitterfeld der Goitzschesee. Mit seinen knapp 14 km² ist er größer als die beiden bekanntesten Berliner Seen Müggelsee und Wannsee zusammen. Und ringsum gibt es noch mehrere weitere Seen, die durch ehemalige Tagebaulöcher gebildet wurden.
Interessant ist noch, dass für die Flutung dieses Beckens ursprünglich 7 Jahre vorgesehen waren. Durch das sog. Jahrhunderthochwasser 2002 füllte sich das "Loch" innerhalb von knapp zwei Tagen und verkürzte die veranschlagte Zeit um bummelige 4 Jahre.
Heute ist der Goitzschesee ein wunderschönes Naherholungsgebiet. Am Bitterfelder Ufer gibt es Promenaden, Marinas, eine Segelschule, Bootsverleih und kleine Jachthäfen.
Und es gibt die MS Reudnitz. MS steht hier für Motorsegler. Sie ist weit über 100 Jahre alt, in Holland als Plattbodenschiff erbaut, im Jahr 1972 vollständig ausgebrannt, dann im Stil einer holländischen Staatsyacht wieder aufgebaut und schippert nun seit 2005 auf dem Goitzschesee umher.
Das Schiffchen macht schon echt was her - und sein Kapitän erzeugt allein durch seine imposante Erscheinung Respekt. Auf einer 1 1/2stündigen Rundfahrt bekommt man von ihm auf recht kurzweilige und augenzwinkernde Art viel über die Geschichte des Sees und über all das, was da so am Ufer zu sehen ist, erzählt - und der Kerl spart auch nicht mit Seemannsgarn. Am Ende muss dann jeder für sich entscheiden, was davon jetzt wahr war und was nicht.
Es war auf jeden Fall ein toller Törn - und natürlich hieß es auch hier wieder: "Geh ans Ruder, Bonden!"