Baubericht HMS Mercury, Kapitel 36 - Das Focksegel

 

 

Wie schon mehrfach erwähnt, ist die Mercury mein erstes Schiffsmodell, bei dem ich versuche, die Takelage nahezu vollständig und historisch korrekt darzustellen. Und weil ich nicht stumpf einfach nur nach Schrage und Co. baue, sondern immer auch wissen will, welchen Zweck jedes einzelne Teil hat und wie es im Zusammenspiel mit anderen Elementen der Takelage agiert, staune ich immer wieder aufs Neue, was ich alles lerne über dieses hoch komplexe und faszinierende Gesamtsystem einer Segelschiffstakelage. Genau das macht für mich einen wesentlichen Reiz des Modellbaus aus - neben der Freude über jedes gelungene Teil und die Aussicht, irgendwann auch mal fertig zu werden mit diesem tollen Modell.

 

Ich gebe es gern zu: Ich bin sehr stolz auf mein erstes Rahsegel. Den Weg dahin beschreibe ich in diesem Kapitel.

 

 

 

Juni 2020

 

Und wieder betrete ich Neuland. Zählt man die Papiervierecke bei meinen ersten Modellen nicht mit, ist das jetzt mein erstes richtiges Rahsegel, welches ich setzen will. Ich orientiere mich wieder hauptsächlich am Schrage, also dem Buch "Rundhölzer, Tauwerk und Segel". 

Das Rundholz für die Rah ist bereits in Form gebracht; das habe ich schon vor sehr langer Zeit gemacht. Das heißt, die Rah hat die erforderliche Länge, ist an den Enden konisch geschliffen, hat die Rahschalung (Kartonteile aus dem Bausatz) und ist schwarz gepönt.  Die Klampen muss ich selbst fertigen; sie sind zwar in der Bauanleitung mit Teilenummern versehen, aber nicht im Bausatz enthalten. Nun, das stellt nun wirklich keine große Herausforderung dar.  An den Enden hat die Rah jeweils zwei einfache Klampen, in der Mitte zwei Schulterklampen. Der Block für das Drehreep wird mit gekleedetem Garn und einer vorschriftsmäßigen Laschung (siehe die ersten beiden Bilder) befestigt, ebenso die beiden Quarterblöcke - oder, wie sie bei Marquardt heißen, Marsschotblöcke (was auch m.E. der bessere Name ist). Links im dritten Bild sieht man bereits einen Brassenschenkel. Unten auf meinem Hilfsgestell liegen die Springpferde, jedes am Ende mit einer eingebundenen Kausche versehen, durch die dann später die Fußpferde gezogen werden, ebenso die beiden Blockpaare der Marsschotblöcke (das sind hier Schulterblöcke) und Toppnantenblöcke und schließlich die mit Kauschen versehenen beiden Taue für das Rack.

 

Eine kleine Bemerkung am Rande

 

Wie schon mehrfach erwähnt, ist die Mercury mein erstes Schiffsmodell, bei dem ich versuche, die Takelage nahezu vollständig und historisch korrekt darzustellen. Und weil ich nicht stumpf einfach nur nach Schrage und Co. baue, sondern immer auch wissen will, welchen Zweck jedes einzelne Teil hat und wie es im Zusammenspiel mit anderen Elementen der Takelage agiert, staune ich immer wieder aufs Neue, was ich alles lerne über dieses hoch komplexe und faszinierende Gesamtsystem einer Segelschiffstakelage. Genau das macht für mich einen wesentlichen Reiz des Modellbaus aus - neben der Freude über jedes gelungene Teil und die Aussicht, irgendwann auch mal fertig zu werden mit diesem tollen Modell.

 

Nun zur Rah. Sie benötigt jede Menge Blöcke und andere Teile, die ich alle "an Land" anbaue. Es braucht dann doch einiges an Zeit, ehe die Rah bereit ist, das Segel angeschlagen zu bekommen. In den ersten beiden Bildern sieht man, wie reich bestückt sie ist; Führungsblöcke für Geitaue, Gordings, Schoten und Toppnanten, dazu die Springpferde und Fußpferde, damit die Seeleute später beim Segelbergen darauf Halt finden.

Betrachtet man die Rah von hinten, erkennt man deutlich das Rack, welches dann die Rah am Mast hält. Ich zeige das Prinzip dieses Taugebildes mit einem Mastdummie: Es ist ein Irrglaube, anzunehmen, dass das Rack die Rah immer fest an den Mast drückt, so wie im dritten Bild. Man kann das Rack fieren, d.h., nachlassen, wodurch deutlich mehr Spiel zwischen Mast und Rah besteht - siehe Bild 4. Wozu braucht man das? Nun, um die Rah auch ordentlich anzubrassen. Würde sie immer nur fest am Mast "kleben", wäre der horizontale Drehwinkel sehr klein, da sie sehr zeitig an die Wanten drücken würde und nicht weiter herum käme. Fiert man das Rack, drückt der Wind im Segel die Rah vom Mast weg und sie kann so stärker angebrasst werden. Und man muss keine Angst haben, dass die Rah jetzt hin und her schaukelt und ständig gegen den Mast knallt. Im Zusammenspiel von Toppnanten, Brassen, Schoten und Halsen wird sie ausreichend fixiert. 

Bevor nun das Segel angeschlagen werden kann, muss es aber auch ordentlich vorbereitet werden. Die Vorderseite des Segels aus dem Bausatz ist bedruckt, die Rückseite nicht. Macht nichts, ein harter Bleistift sorgt hier für Abhilfe, und mit ihm ziehe ich auch die angedeuteten Nähte der Vorderseite nach. Dann schlage ich mir wieder ein schönes Liektau; im Vergleich zu den Stagsegeln nehme ich hier ein etwas stärkeres Garn (3x0,5 mm Amati hell). Das Focksegel hat - wie das Großsegel auch - dabei eine Besonderheit: Zusätzlich zum Fußliek, also dem Tau am unteren Rand des Segels, kommt noch an jede Ecke ein Schotliek. In echt wurde das zusätzlich in das Fußliek eingespleißt und dann getrenst und gekleedet; der 1:72-Modellbauer begnügt sich damit, die entsprechenden Abschnitte zu kleeden. Dazu nehme ich vorher genau Maß und kleede dann passgenau mit der Kleedemaschine die beiden Strecken mit Amati 0,25. Die Schothörner werden aus diesem Stück heraus geformt und eingebunden.

Im zweiten Bild ist zu erkennen, dass das Tau des Seitenlieks aufgedröselt ist. Das hat einen guten Grund: Mit den einzelnen Adern nähe ich das Tau, nachdem ich ein Auge geformt habe, fest, was der historischen Vorlage entspricht. Das Anschlagliek (oder auch Kopfliek), also das auf der oberen Kante des Segels, wird ebenso angefertigt. Die unter dem Segel liegende Abbildung im Schrage zeigt die Vorgehensweise, die ich versuche, in meinem kleinen Maßstab nachzugestalten. 

Die Taubögen an den Seitenlieks und am Fußliek heißen Legel. Sie dienen später zum Befestigen diverser Taue wie Nock- und Bauchgordings und Bulinen. Auch diese fertige nach der "erst reepen, dann wieder aufdröseln"-Methode. 

Nachdem alle Legel dran sind, widme ich mich den Reffbändseln. In jede Segelbahn kommen zwei davon. Dazu ziehe ich jeden Faden mit der Nadel durch den Stoff und fixiere ihn mit einem Tupfer Ponal Turbo, den ich mit dem Zahnstocher setze. Die Bändsel müssen auf beiden Seiten des Segels sein. Am Ende schneide ich die Fäden auf eine einheitliche Länge. Dazu schiebe ich mein flaches Stahllineal so unter die Fadenreihe, dass ich mich anschließend nur noch an der Kante mit der Schere entlang arbeite. Das wiederhole ich dann auch auf der Rückseite.

"Segel reffen" - diesen Begriff hat man sicher schon öfters gehört. Hier wird deutlich, was damit gemeint ist: Die Seeleute ziehen das Segel so weit hoch, dass sie mit den Bändseln von beiden Seiten der Rah das Segel festbinden und somit die Segelfläche etwas verkleinert haben, weil zum Beispiel der Wind zu stark ist. Später kann man dann wieder "ein Reff ausschütteln", also die Bänder lösen, so dass die ursprüngliche, volle Segelfläche wieder arbeitet. 

Später wird man beim Fockmarssegel sehen, dass es dort sogar drei Reihen Reffbändsel gibt.

Nun ist das Segel fast bereit, dass es an die Rah kommt, es fehlen nur noch die Blöcke an den beiden Schothörnern. Jeweils drei sind es, einer für das Geitau, einer für die Schot, einer für das Halstau. Der Halsblock wird in ein gekleedetes Taustück eingebunden und bekommt am Ende des Taus einen speziellen Knoten, der so dicke sein muss, dass er sich gerade noch so durch das Schothorn drücken lässt. Die beiden anderen eingebundenen Blöcke werden nun so um das Schothorn gelegt und befestigt, dass der Knoten des Halsblocks nicht wieder herausrutschen kann, selbst bei größter Zugbelastung nicht. Ein interessantes Detail, wie ich finde.

Das Anbringen des Segels an der Rah ist dann auch eine Fleißarbeit. Es erfordert noch mehr Anschlagbändsel als Reffbändsel. Jedes wird einzeln durch das Segel gezogen, dann erst einmal mit einem einfachen Knoten auf dem Kopfliek fixiert, dann mit beiden Enden jeweils gegenläufig um die Rah geschlungen und mit einem Kreuzknoten festgezogen. Ich gebe zu, dass in der Praxis das Verfahren noch ein wenig aufwändiger war, aber hier zolle ich dann doch meinem 1:72-Maßstab Tribut.  Als die Hälfte geschafft ist, will ich wissen, ob das mit dem Aufgeien schon klappt. Also wird das Geitau, welches schon an der Rah befestigt ist, durch seine Blöcke geschoren. Es klappt genau so, wie es soll. Es mag wie eine kleine Spielerei aussehen, aber dieser Test hat auch einen ernsteren Hintergrund. Später möchte ich ja, dass die richtigen Taue auch straff sitzen, insofern ist gut, das mal zu üben.

Endlich ist der Moment gekommen. Sowohl von vorn als auch von hinten präsentiert sich die Rah voll ausgerüstet. So geht es dann also ran an den Mast.

Die Fockrah wird mittels Drehreep aufgehängt. Am Ende von Kapitel 26 habe ich beschrieben, wie ich die beiden dafür nötigen Flachseitenblöcke hergestellt und am Masttopp angebracht habe. Damals war ich so schlau, bereits Taue durch diese beiden Blöcke zu ziehen. Nun, das war nicht die beste Idee. Zum einen habe ich viel zu dünnes Garn gewählt, zum anderen war es jeweils ein Tau durch einen Block. Das Drehreep besteht aber nur aus einem Tau, welches erst durch den einen Flachseitenblock, dann durch den Block auf der Rah und dann durch den anderen Flachseitenblock läuft. Meine Sorge, dass es jetzt kompliziert werden könnte, das Tau durch die dicht unter der Marsplattform hängenden Blöcke zu bekommen, erweist sich als hinfällig: Sehr leicht lassen sich die beiden Blöcke an ihren Hangern durch das sogenannte Soldatenloch hoch auf die Marsplattform ziehen, wo ich dann bequem das Tau durchfädeln kann. Schon kurz darauf hängt die Rah am Mast, und ziehe ich gleichzeitig an beiden Enden des Drehreeps, wird sie hochgezogen - die Bilder zeigen das.

Jetzt werden die Schoten und Halsen angebracht. Im großen Bild weiter oben sieht man die dazugehörigen Blöcke. Die Schoten ziehen die unteren Segelecken nach hinten, die Halsen nach vorn. Beide dienen dazu, immer in der möglichst optimalen Stellung den bestmöglichen Winddruck zu sichern. 

Die Schottaue werden mit einem Ende an einem Augbolzen außenbords an der Bordwand befestigt. Die holende Part läuft dann durch den Block am Schothorn und zurück zu einem Scheibgatt in der Bordwand, wo es dann binnenbords unterhalb der Gangway zwischen Achterdeck und Vordeck an einer Klampe belegt wird. Hier erlaube ich mir mal wieder eine kleine Schummelei. Um die Befestigung originalgetreu zu realisieren, hätte ich vor allem sehr zeitig, also beim Bau des Rumpfes, dort bereits die entsprechenden Klampen anbringen müssen. Die Bauanleitung sieht das nicht vor, und zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nicht in der Konsequenz und Intensität mit meinen Fachbüchern gearbeitet wie jetzt. Nun ist es nicht mehr möglich, ohne irgendwelche größeren, teils auch unfreiwilligen Abrissaktionen zu riskieren, dort die Klampen anzubauen und daran dann auch noch Taue steifzusetzen. Also wähle ich eine "Rückwärtsvariante": Ich führe ein Tauende durch das Scheibgatt, also die Öffnung in der Bordwand, nach binnenbords. Dann setze ich einen dicken Knoten an das Ende und ziehe das Tau wieder nach außen - klar, dass es durch den Knoten hält. Nun führe ich das andere Ende durch den Schotblock und dann zurück zur Bordwand durch den Augbolzen, wo ich es später endgültig festsetzen werde. 

Interessant ist beim Focksegel die Führung der Halsen. Da ja bei diesem Segel sehr schnell das Schiff am vorderen Ende zu Ende ist, musste man sich was anderes einfallen lassen. Das sind in diesem Fall die Butluvspieren. An deren Enden sitzt jeweils ein Schulterblock. Davor wird mit einem Augspleiß das Halstau angebunden, läuft dann durch den Block am Schothorn, zurück zum Schulterblock auf der Butluvspiere und wird dann an der Back festgesetzt. Hier im ersten Foto sieht man das holende Ende noch hinter dem Schulterblock frei herumhängen; später sieht es besser aus.

In meinem Bemühen, möglichst alles historisch genau zu bauen, dürfen dann auch die Schlappgordings nicht fehlen. Der Name klingt irgendwie lustig. Schlappgordings gab es nur auf Kriegsschiffen. Sie sorgten im Gefechtsfall für freie Sicht: Der Kommandant auf seinem Achterdeck hatte nicht immer den Überblick, was direkt voraus passierte, weil die Untersegel - also das Großsegel und das Focksegel - teilweise die Sicht versperrten.  Dafür war dann die Schlappgording da - mit ihr konnte man das Fußliek anheben, ohne sonstige wertvolle Segelfläche wegzunehmen. Die Bilder zeigen die Funktion. Im zweiten Bild sieht man rechts neben dem Mast, in Höhe der Reffbändsel, eine kleine Kausche an einem Tau, durch die ein von oben kommendes Tau läuft. Das ist das Schlappgording. Zieht man jetzt an dem Tau mit der Kausche, passiert das, was man im letzten Bild sieht.

Nun sollen die Brassen steifgesetzt werden. Die Brassen dienen dazu, die Rah horizontal zu bewegen und so das Segel in den Wind zu stellen, also in einem günstigen Winkel zur Kiellinie zu halten. Die festen Enden der Brassen sind am oberen Ende des Großstags befestigt. Ich hatte diese Taue bereits beim Anbau des Großstags angebracht und dann auf kleine Balsaholzstückchen gewickelt. Das stellt sich im Nachherein auch als keine gute Idee heraus - durch die sehr lange Zeit, in der der dünne Faden derart fest aufgewickelt war, haben sich Knicke etabliert, die auch durch beharrliches Befeuchten und Straffziehen nicht wieder heraus bekomme. Also gibt es zwei "mini-Abrisse" und ich bringe neue Taue an. Diese laufen nun vom Stagkragen zum Block am Ende des Brassschenkels an der Nock der Fockrah, von dort zurück zum Großstagkragen, wo ein kleiner Leitblock das Tau hinunter an Deck führt. Hier befestige ich es an der Mastbeting des Großmastes. 

Als nächstes kommen jetzt die Toppnanten an die Reihe. Sie halten die Rah in der Waagerechten. Hier kommt das Tau vom Stengetopp, läuft durch den Block auf dem Ende der Rah zurück zum zweiten Block am Stengetopp und wird dann durch das Soldatenloch heruntergeleitet zur vorderen Beting am Fockmast.

Im letzten Bild dieses Abschnittes sieht man, dass noch jede Menge loser Enden herumhängen, die alle noch vertäut werden müssen. 

Aber eins wird einem bei dieser Arbeit sehr deutlich: Das Zusammenspiel des gesamten Tauwerkes ist ein spannendes Konstrukt. Zieht man hier, passiert auch dort etwas, lässt man dort ein Tau nach, verändert sich auf einmal vieles. Und ich muss mir jetzt gut überlegen - und das auch noch ein paar mal proben - in welcher Reihenfolge ich das Tauwerk befestige, damit am Ende alles schön straff sitzt, was straff sitzen muss. Ach ja, und das Segel in Form bringen muss ich auch noch.

Ich schaffe es nicht, die nachfolgenden Arbeiten fotografisch zu begleiten. Das Festsetzen der vielen Taue erfordert sehr viel Geduld, Geschick, Ruhe und Konzentration. Und der Platz, um mit Fingern und Pinzetten sozusagen "in das Schiff hinein" zu wirken, wird immer enger, mit jedem weiteren Tau, welches seinen endgültigen Platz an einer Beting oder den Nagelbänken an der Querreling der Back findet.

Im ersten Bild sieht man sehr schön die Befestigung der Buline. Sie ziehen die Seitenränder des Segels nach vorn. Dazu wird an das Ende eines Taus  eine Kausche eingebunden. Jetzt wird ein kurzes Tau an ein Legel geknüpft, durch die Kausche gezogen und dann am anderen Legel befestigt. Das Tauende der Kausche geht nach vorn an den Stagkragen des Fockstags, wo auf jeder Seite ein kleiner Leitblock wartet; von dort läuft das Tau zurück zur Back, wo es an einem Timberhead festgemacht wird. 

Die große Aufgabe ist jetzt, alle Taue so in Einklang zu bringen, dass am Ende alle die, die straff sein müssen, auch straff sind. Es sind verwirrend viele Kräfte, die gegensätzlich, seitlich, quer, übergreifend, böswillig, ahnungslos und immer gnadenlos die soeben vermeintlich gefundene Harmonie zerstören. Ich weiß nicht, wie es aussieht, wenn ein Tau grinst - aber es ist auf jeden Fall ein fieses Grinsen, davon bin ich überzeugt.

Ich experimentiere viel, um heraus zu finden, in welcher Reihenfolge man am besten welche Taue festmacht. Da wird dann auch mal ein mühsam durch viele Blocköffnungen gefädeltes Taljereep wieder zerschnitten. Letztendlich ist für mich folgende Reihenfolge die beste: Zuerst wird das Drehreep befestigt. Dadurch hat die Rah höhenmäßig ihren endgültigen Sitz. Dann kommen Toppnanten und Brassen an die Reihe. Ist man da im Einklang mit sich und dem Schiff, versucht man sich an den Schoten und Halsen. Ich mache dabei jeweils zuerst die Schot fest und sorge dann mit dem Halstau - das, welches über die Butluvspiere läuft - für ein Stück mehr Straffheit.

Bevor jetzt weiter an der endgültigen Fixierung aller Taue gearbeitet wird, bringe ich das Segel selbst in Form. Das ist eine spannende Aktion, und mir wird es hinterher, durch eine Frage von außen, bewusst, dass ich hier wohl nur einen Versuch habe. Mutig verdünne ich Weißleim (Ponal Express) und streiche damit mit einem Flachpinsel das Segel flächendeckend ein - immer darauf achtend, das nichts auf das Deck tropft. Und dann kommt der Haarfön zum Einsatz. Es dauert keine 10 Minuten, ehe der Leim durchgetrocknet ist. In dieser Zeit verändere ich immer wieder die Richtung des Luftstroms, um das Segel in eine möglichst glaubhafte Form zu bringen, forme sanft mit den Fingern an den Rändern nach. Am ende dieser Aktion bin ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis.

Dann kommt der ganze dünne Kleinkram an die Reihe. Also zum Beispiel die Bauchgordings - durch den Stropp mit den zwei Blöcken wird durch den zweiten Block auch ein Tau gezogen. Das wird mit einem Ende an der Querreling bzw. der Nagelbank, die da an der Kante der Back steht (also auf jeder Schiffsseite eine) festgemacht, und auch das andere Ende wird dort auf einen Nagel gelegt. Wird das Segel eingeholt, zieht man auch an diesem Tau, und das Fußliek wird so hoch zur Rah gezogen. Erst ganz zum Schluss mache ich das Rack fest.

Die nachfolgenden Fotos können wahrscheinlich nur bedingt das Ergebnis der in diesem Kapitel beschriebenen Arbeit wiedergeben. Für mich stellt dieses Segel sozusagen einen Meilenstein dar: Noch nie habe ich an einem historischen Segelschiffsmodell ein Rahsegel in dieser Form und aus Stoff dargestellt. Die wenigen und sehr einfachen Papiersegel meiner früheren Schreibermodelle kann man da einfach nicht mitrechnen. Ich habe sehr viel gelernt dabei und freue mich jetzt schon auf die nächsten Segel, bin mir auch sehr sicher, dass diese dann nicht annähernd soviel Zeit benötigen wie mein erstes, das Focksegel.