Baubericht HMS Mercury, Kapitel 27: Der Großmast wird gesetzt; kleine Takelkunde


 

26. März 2017

Inzwischen wurde der Großmast soweit vorbereitet, dass er eingesetzt werden kann. Dazu mussten an drei verschiedenen Stellen Stroppkragen mit eingebundenen Kauschen gefertigt und angebracht werden, für diverse Stage. Außerdem wurden wieder aus Balsaholz Kalben gefertigt und angebracht.
Dann wurde der Mast auch schon gesetzt. Wie bereits am Fockmast gezeigt, habe ich dann zuerst den Hanger für die Seitentakel gebaut; anschließend wurde dann das erste Seitentakel hergestellt. Und schon war wieder Feierabend in der Werft. Die Fertigung der genannten Teile habe ich ja bereits beim Fockmast ausführlich gezeigt.

Nach den üblichen Arbeiten wie Taue schlagen, Taue kleeden, Jungfern auskeepen und so Sachen eben ging es dann weiter mit dem Großmast. Das zweite Seitentakel habe ich fertig und angebracht, und seit vorhin steht auch das erste Wantenpaar. Auch hier wurde wieder das vorderste Want bis unten durchgekleedet; auch dort bestand die Gefahr des sog. Schamfielens, also des Scheuerns von Segel und Tauwerk, weshalb hier ein besonderer Schutz nötig war.

 

Zwischendurch mal wieder eine kleine Takelkunde

 

Zwei Dinge möchte ich gern zeigen. Ich fange an mit dem Zusammenbinden von Tauen und möchte am Beispiel eines Wantpaares die Plattbindselung erläutern. Ich wurde vor einiger Zeit gefragt, was denn das sei.
Wird irgendwo ein "Auge" gebraucht, also eine feste Tauschlinge, ist dafür sehr häufig eine Plattbindselung gefragt. Dabei wird das Tau in eine Schlaufe, je nach erforderlicher Größe, gelegt und dann die beiden Enden nebeneinander liegend verbunden. Mit einem dünnen Faden, den man zuerst an einer Part befestigt, werden mehrere straffe Rundschläge um beide Tauenden gelegt. Dann wird der Faden zwischen den beiden Enden durchgesteckt und mit zwei Querschlägen, also über die Rundschläge, geführt. Zum Schluss zieht man den Faden mittig straff, mit einem winzigen Tropfen Kleber - ich nehme dafür immer Ponal Turbo - wird er befestigt und dann gekappt.
Das Bild zeigt oben eine ordentliche Plattbindselung, wie sie auch am Original anzutreffen ist, darunter eine einfache "Verknotung" der beiden Enden - der Unterschied wird, so denke ich, deutlich.

Dann noch ein wichtiger Hinweis für alle, die sich, wie ich ja bekanntlich auch, für das Kleeden ihrer Wanttaue entscheiden:
Hier schon mehrfach drauf hingewiesen - das vordere Wanttau wurde komplett gekleedet, alle anderen bis dicht unter die Püttingswurst. Im Schrage-Buch kann man lesen, dass das Maß dabei ca. 0,7 der Masttoplänge war. Ok, wichtig ist - und darum schreibe ich das hier - dass möglichst alle Wanttaue bei ihrer Kleedung die gleiche Länge aufweisen. Und da hab ich beim Fockmast der Mercury nicht aufgepasst! Wie man das eben so macht: Man fertigt bestimmte Teile auf Vorrat. Fockmast, vier Wantpaare auf jeder Seite, ok. Taue schlagen, messen, alle Wantpaare kleeden, mit Plattbindselung einbinden, fertig. Blöd nur, dass ich dabei nicht mitgedacht habe, dass mit jedem Wantpaar, welches um den Masttop gelegt wird, das Gesamtmaß verändert wird. Was ich damit meine? Man sieht es im ersten Bild sehr deutlich.

Ist logisch, gelle? Daher: Besser ist es, sich jedes Wantpaar erst dann zu kleeden, wenn das, welches unmittelbar davor angebracht werden muss, steht. Und dann nach der alten Ingenieurweisheit "Messen ist Wissen" die exakt zu kleedende Strecke ermitteln. Am Großmast beachte ich das, und nachdem auf jeder Seite zwei von vier Wantpaaren stehen, sieht das im Bild 2 doch recht ordentlich aus.
Nun denken wahrscheinlich alle, die meinen Baubericht bis hierher gründlich gelesen haben: Oh nein, jetzt reißt er wieder alles am Fockmast ab! Nee, macht er nicht.  Wenn erst mal die Püttingswanten stehen und Webleinen in die Wante eingeflochten sind, fällt das kaum noch auf - auf dem Foto sieht es viel dramatischer aus als in der Realität. Aber dennoch - man kann sich das ersparen, wenn man von vorn herein entsprechend handelt. 

 

Nachtrag Januar 2018: Im Kapitel 29 zeige und erkläre ich im Eintrag vom 2. Januar 2018, wie ich das Problem mit der unterschiedlichen Länge der Kleedung der Wantaugen gelöst habe.


So, und bevor ich hier die Werft bis zum kommenden Wochenende schließe, kann ich stolz verkünden, dass heute drei weitere Wantpaare ihren Weg an den Großmast gefunden haben.

 

Und bald geht's hier weiter!