Baubericht HMS Mercury, Kapitel 34 - Hilfsgerät zum Rahen takeln; Stagsegel

 

November 2019

 

Nachdem ich un meine erste Rah sozusagen freihändig mit allem nötigen Zubehör bestückt habe, baue ich mir eine Vorrichtung, die es mir bei den weiteren Rahen wesentlich leichter machen wird, diese Rundhölzer für das Setzen vorzubereiten.

Wichtige Vorbemerkung dazu: Die Idee für dieses Teil ist nicht von mir; ein netter Modellbaukollege hat sich das ausgedacht, und ich baue es nur nach.

Was benötigt man also? 

Zuerst mal eine dicke Holzleiste aus dem Baumarkt, die man sich zurecht sägt. Ich länge von den 100 cm 60 cm ab und teile den Rest in drei weitere Stücke, zwei gleichhoch als Endstücke, eins als Führungsbrett um die Dicke des Brettes gekürzt. Im Baumarkt hole ich mir außerdem noch ein Messingrohr, Durchmesser 5mm. In die beiden Endstücke bohre ich halb tief je ein Loch, welche die Enden des entsprechend zurechtgesägten Messingrohres aufnehmen sollen. Das Führungsbrett wird in richtiger Höhe durchgebohrt, um das Rohr durchschieben zu können; das Brett soll sich leicht auf dem Rohr hin und her schieben lassen. Auf einer Seite des Führungsbrettchens sowie an einem der Endstücke fräse ich zwei unterschiedlich große Löcher in das Holz, zur Aufnahme dickerer oder dünnerer Rundholzer. In Ermangelung kleiner Haken werden dann einfach zwei Nägel in die selben Brettseiten eingeschlagen und hakenförmig gebogen. Dann nur noch zusammenbauen, also zwei Schrauben an jeder Seite durch die Endstücke in die Querwand des Unterbrettes setzen, und fertig ist ein geniales Hilfsgerät!

Wie funktioniert es? Ich nehme eine bereits in Form gebrachte Rah, stecke die beiden Enden in die gefrästen Öffnungen und fixiere das Führungsbrett mit einem Gummi, den ich zwischen die beiden Haken spanne. Nun habe ich die Rah arbeitsfreundlich vor mir und habe stets beide Hände frei, um an dem Rundholz zu arbeiten. Durch das verschiebbare Führungsbrett und die Gummifixierung kann man Rundholzer beliebiger Länge einspannen und bearbeiten.


April 2020

 

Nach einer längeren Baupause geht es nun endlich weiter. 

Zwar habe ich jetzt dieses tolle Hilfsmittel für die Rahen, aber es kommt erstmal nicht zum Einsatz - bzw. nicht in der ursprünglich vorgesehenen Art. Als nächstes werde ich die Stagsegel anbringen. Die meisten werde ich im geborgenen Zustand zeigen, aber auch das erfordert einiges an Arbeit und auch an vorherigen Überlegungen:

Zum Bausatz der Mercury gehört auch ein kompletter Segelsatz - aus Stoff natürlich. Was mich anfangs irritiert hat: Es sind viel mehr Segel als der Bauplan vorsieht. Schaue ich dann aber in mein wichtigstes Fachbuch, den Schrage, sehe ich, dass Shipyard exakt alle Segel beigefügt hat, die historisch korrekt vorgesehen waren. Der Bauplan verzichtet aber auf Fockstagsegel, Großstagsegel, Mittelstagsegel und Besanstagsegel. Gleichwohl liegen diese auch bei. Das finde ich gut - so hat der Modellbauer, der gern alle Stagsegel zeigen will, auch die Möglichkeit, alle Segel in der selben Farbe und Stoffart zu verwenden.

Ich werde zwar auch nicht alle, aber doch die meisten davon anbringen; im Detail gehe ich darauf später ein.

Wie ich bereits berichtet habe, beabsichtige ich ein Diorama mit einer Gefechtssituation zu gestalten. Über die Details habe ich noch nicht vollständig Klarheit; auf jeden Fall werde ich der Wind- und Positionssituation entsprechend einige Segel gesetzt und einige geborgen zeigen. Fest steht, dass die allermeisten Stagsegel wohl eher geborgen sein werden.

Vielerorts kann man lesen, dass man bei einem so kleinen Maßstab wie dem, in dem ich baue (ja, das zählt als klein!), geborgene Segel nicht aus Stoff fertigen soll, sondern bestenfalls aus Papier, weil sie sonst zu dick seien. Ich will nun, allen anderen Meinungen zum Trotz, versuchen, die Stoffsegel von Shipyard zu nutzen und bin gespannt auf das Ergebnis.

Und so beginne ich mit dem Besan-Stagsegel. An der Stelle gleich mal ein dickes Sorry. Ich arbeite wild drauflos und denke erst sehr, sehr spät daran, auch mal ein paar Fotos zu machen. Darum in Kurzfassung, was ich da so tue::

Das Segel wird mit Liektauen versehen, die entsprechend Hörner werden dabei eingearbeitet.

In die siebente Stoffbahn werden beidseitig Kauschen zur Führung der Geitaue eingenäht.

13 Stagreiter werden aus Draht geformt, eingebunden und am Kopfliek befestigt.

Das speziell für dieses Segel nötige Stag wird gefertigt (großes Stagauge mit Maus, im Besantop aufgelegt)

Ein Leitkragen zur Führung des Stags wird gebaut und angebracht. Am Stagkragen werden Leitblöcke für die Geitaue und den Niederholer angebracht.

Der Niederholer wird am Fallhorn befestigt und durch die Stagreiter gefädelt.

Schotblöcke sowie die Schottaue werden am Schothorn angebracht.

Das Fall wird am Besantop befestigt.

Führungsblöcke für Schoten und Fall werden eingebunden, mit Haken versehen und in Augbolzen an den richtigen Stellen an Deck eingehakt.

So, ich glaube, ich habe nichts vergessen. Und hier kommt wieder meine Rahtakelkonstruktion zum Einsatz. Durch zusätzliche zwei Rundhölzer wird sie zu einem Test-Dummy für mein erstes Stagsegel. Und es klappt, ich kann das Segel am Niederholer einholen und am Fall wieder setzen. Das macht Mut für das Anbringen am Schiff. Alles liegt bereit, und Captain Jack Aubrey schaut kritisch-wohlwollend auf meine Arbeit. 

Das Anbringen am Schiff macht nochmal viel Arbeit, aber eben auch viel Spaß. Das vorbereitete Segel wird auf das Stag gefädelt, dann wird das Stag angebracht. Nun müssen alle Fadenenden da durchgefummelt werden, wo sie hingehören, was nicht immer ganz einfach ist. Und dann kommt der spannende Moment: Ich hole das Segel mittels des Niederholers ein und ziehe es dann wieder mit dem Fall hoch. Und es funktioniert! 

Tja, und dann packe ich das Stagsegel genau so ein, wie ich das mit den Stagsegeln auf der Hendrika Bartelds schon sehr oft getan habe. Und es sieht auf den ersten Blick gut aus danach.

Aber wie das so ist - man schaut es sich immer wieder an und sieht, dass es doch noch nicht so gut aussieht. Das geht noch enger zu packen, denke ich mir. Und dann passiert etwas sehr Schönes: Wie auf der Hendrika brauche ich bloß den an der Querreling festgebundenen Niederholer zu lösen und daran ziehen, und schon ist das Segel wieder ausgepackt. Jetzt wird es nochmals und nun fester gepackt, und ich glaube, man sieht hier den Unterschied. Und sowohl Jack als auch ich sind am Ende des Tages sehr zufrieden.

Die Stoffsegel des Bausatzes sind für mich überzeugend, ich bleibe also bei diesen und entscheide mich gegen eine wie auch immer geartete Variante mit Segeln aus Papier.

Also geht es weiter mit dem nächsten Stagsegel. Das ist eins von denen, die die Bauanleitung von Shipyard nicht vorsieht, das Kreuzstengestagsegel. Das hat auch so seine Besonderheiten. Es wird an einem bereits angebrachten Stag gefahren - es ist das, welches im letzten Bild des vorigen Beitrages meinen Bart "kreuzt". Ich muss nicht lange überlegen, was ich mache, ich entscheide mich dafür, das Stag abzunehmen, was wieder einmal einen Abriss bedeutet, denn es lässt sich nicht in einem Stück und vor allem nicht ohne Einsatz der Schere abbauen. Noch eine weitere Besonderheit weist dieses Segel auf: Es wird im geborgenen Zustand nicht an seinem Stag eingebunden wie das Segel zuvor (das Stag läuft durch die Schwichtschenkel des Großmastes, daher geht das nicht), was es mir ermöglicht hat, das Einbinden "an Land" vorzunehmen.

Also fädele ich das vorbereitete Segel an meiner Hilfskonstruktion auf ein Hilfsstag, hole es dann ein und packe es mit dem Niederholer vorschriftsmäßig ein.

Und dann will ich natürlich auch den schlimmen Moment zeigen, in dem ich die Schere ansetze und das alte Stag gnadenlos durchtrenne. Liebes Stag, das tut mir mehr weh als dir!

Dadurch ist ein wenig mehr Platz an der Bramsaling, so kann ich dann leichter einen Leitblock für das Fall dieses Segels anbringen.

Jetzt wird das neue Stag um den Top gelegt und vorschriftsmäßig mit großem Auge und Stagmaus befestigt. Nun kann ich das gut gestaute Segel drüberfädeln. Der schwierigste Teil kommt jetzt: Das lose Ende des Stags muss durch eine Kausch am Leitkragen am Großmast geführt werden und dann so ca. 6 cm weiter mit einer Kausche versehen werden. Das ist arg eng, aber letztendlich ist es geschafft, ohne etwas anderes abzureißen, und ich kann diese frisch eingebundene Kausche mit der am Leitkragen ein kleines Stück tiefer mittels Taljereep verbinden und so mein Stag steifsetzen. Dann wird das Stagsegel an seinen Platz geschoben. Das lose Ende des Niederholers wird einfach nur an der Mastbeting des Großmastes belegt. Die Halsleinen, also die zwei am vorderen unteren Ende, haben auch eine interessante Führung: Am jeweils vierten Wanttau des Großmastes wird binnenbords eine Leitkausche befestigt. Durch diese wird das Tau geführt und dann an einer am gleichen Want weiter unten binnenbords befestigten Wantklampe belegt. Das Anbringen der Klampe ist auch lustiger Sport; glücklicherweise habe ich mit den Ätzplatinen von dafi auch viele tolle Klampen - bei den winzigen Pappdingern aus dem Bausatz wäre ich ja durchgedreht...

Jetzt aber endlich ein paar Bilder.

Auch die Schoten werden durch Leitkauschen, die binnenbords an die Wanten - hier die des Besan - gesetzt werden, geführt und dann an den Nagelbänken an der Bordwand belegt. 

Dann mache ich noch etwas längst überfällige Kosmetik: Es gibt noch etliche Taue, die zwar schon fixiert, aber noch nicht ordentlich vertäut (bzw. die überstehenden Enden abgeschnitten) sind. Hier arbeite ich mich vom Bug zum Heck und weiß am Ende, dass die Taue, die jetzt noch lang und lose herumhängen, später für das laufende Gut benötigt werden.

Es geht schon bald weiter mit dem Auftakeln, und meine Mercury darf schon mal von Fahrten rund um die Welt träumen...


 

Mai 2020

 

Das nächste Stagsegel ist das Großstengestagsegel.  An diesem Segel zeige ich etwas detailreicher, wie ich ein Stagsegel vorbehandele und dann anbringe. 

Zuerst einmal bin ich der Meinung, dass das Bausatzsegel etwas zu groß ist. Bei einer Zusammenknorkel- und Ranhalteprobe sehe ich, dass das Schotende des Segels ein ganzes Stück an Deck zu liegen käme, was mir nicht richtig erscheint, auch nicht nach mehreren Blicken in die Bücher und auf Bilder anderer Modelle. Und es wird auch immer wieder empfohlen, speziell bei größeren Segeln, diesen etwas Volumen zu nehmen, wenn man sie in geborgenem Zustand darstellen möchte. Das habe ich übrigens beim Kreuzstengestagsegel auch schon gemacht.

Am Ende dieses Abschnittes wird man sehen, dass ich mit dieser Entscheidung keinesfalls verkehrt liege.

Das erste Bild zeigt mein verkleinertes Segel. Man sieht, dass ich das Schothorn und das Halshorn bereits gefertigt habe. 

Das Liektau habe ich aus 3 x0,25 mm Takelgarn Amati hell geschlagen. Ich ziehe es Seite für Seite durch Ponal Express und klebe es dann ganz dicht am Rand auf die Vorderseite des Segels. Das mache ich nur bei den Segeln, die ich im geborgenen Zustand anbringe; bei allen Segeln, die gesetzt oder nur aufgegeit gezeigt werden, wird das Verfahren ein anderes sein.

Die Hörner - also die kleinen Tauschlaufen an den Ecken - binde ich einfach mit dünnem Takelgarn ab. Später nähe ich aber an jeder Ecke noch das Liektau am Segel fest; schließlich sind die Hörner später auch gewissen Zugkräften ausgesetzt.

Als nächstes kommen die Stagreiter dran. Das waren damals entweder über Dampf gebogene Ringe aus zähem Holz oder später metallene Ringe, die im Prinzip wie der griechische Buchstabe Omega aussehen. Beide wurden nicht direkt in das Segel gesteckt, sondern quer zum Anschlagliek an das Segel gebändselt. Ich entscheide mich für das in diesem Maßstab gut Machbare und fertige die hölzerne Version - allerdings aus Draht. (Wer ein Holzschiff aus Papier baut, darf auch sowas...)

Dazu wickele ich einfach Draht um einen Zahnstocher, ziehe diesen da raus und knote auf den Kreuzungspunkt ein Stück Garn. Und erst jetzt schneide ich die Drahtenden ab. Beim ersten Stagsegel habe ich die Teile gleich abgeschnitten und dann versucht, das Tau anzubringen. Da kommt dann wieder die fiese Intelligenz toter Materie zum Vorschein: Wie oft mir die kleinen Dinger vom Finger gehopst sind, tut hier nichts zur Sache... Dann stecke ich die beiden Garnenden jeweils von einer Seite, aber exakt durch das selbe Loch, durch den Stoff, etwas unterhalb des Liektaus.

Ich ziehe das alles so hin, dass der Stagreiter auf der Oberkante sitzt. Jetzt einen Knoten auf der einen und einen Doppelknoten auf der anderen Seite - siehe die Fotos - Enden kappen und fertig. Am Ende sitzen alle Stagreiter in der richtigen Richtung am Segel. Dieser Arbeitsschritt dauert deutlich weniger als eine Stunde. Später werden dann die Reiter noch schwarz gepönt; da ich nur lackierten Kupferdraht habe, lässt sich der nicht brünieren, und ein vorheriges Pinseln hat keinen Zweck, da am Ende das meiste der Farbe doch wieder ab ist.

Heute ist schönes Wetter, und es ist Zeit für eine Kaffeepause. Da darf die Mercury mit auf die Terrasse kommen. 

Nun wird das Segel mit allen nötigen Tauen versehen. Links oben haben wir das Fall und den Niederholer, links unten die Schoten, rechts unten die Halstaue. Nur das Tau rechts oben am Nockhorn fehlt noch, das kommt später dran. Damit wird dann das Segel am Stag befestigt.

Jetzt fädele ich das Tuch auf ein Hilfsstag und bringe wieder meine kleine Hilfskonstruktion zum Einsatz. Mit dem Niederholer packe ich das Segel vorschriftsmäßig ein.

Der Bonden und seine Abrissaktionen - zur Freude aller hier wieder mal ein Bild mit einem gekappten Tau. Dieses Segel kommt ebenfalls auf ein Stag, welches bereits angebracht ist, und ich entscheide auch hier, dass es leichter ist, ein neues Stag zu fertigen, als mir eine komplizierte Methode auszudenken, das Segel auf das vorhandene Stag zu bekommen. Da das neue Stag bereits vorbereitet ist, geht es dann sehr schnell, dieses anzubringen. Großes Auge mit Stagmaus um den Stengetop des Großmastes, dann mein vorbereitetes Stagsegel drauffädeln, das Stag durch die Kausche im Leitkragen am Fockmast gefädelt und dann an das Ende, dicht über dem Deck, einen Violinblock einbinden. 

Mittels des Blockes, der an Deck eingehakt ist, sowie einem Taljereep wird dann das Stag steifgesetzt. Jetzt wird das Segel schon mal in Positur geschoben; alles andere folgt dann am kommenden Tag.

Am nächsten Tag stoße ich auf einen Fehler, den ich gemacht habe. Also verordne ich mir eine Runde intensives Nachdenken, wie ich das Problem am besten löse.

Zur Erklärung: Der Niederholer, also das Tau, welches am Fallhorn durch mehrere Stagleiter geführt wird und dazu dient, das Segel wieder herunter zu lassen, muss noch durch einen am Segelstag befestigten Leitblock laufen. Bei anderen Stagsegeln ist dieser Leitblock direkt am Nockhorn befestigt und nicht, wie hier, am Stagkragen. Aber das Problem wäre in dem Fall ähnlich: Das Stag ist befestigt, aber das Segel nicht ordentlich eingebunden. Also entweder das Stag nochmal lösen - mit der Konsequenz, es erneut zu fertigen - oder die Operation direkt am Schiff durchführen. Meine Lösung gestaltet sich dann wie folgt:

Mit dem Niederholer habe ich das Segel eingepackt, und zwar auch hier genau so, wie ich es bei meinen Segeltörns auf der Hendrika Bartelds gelernt habe. Ich löse jetzt also nur den finalen Halbstek, mit dem ich den Niederholer belegt habe, ziehe an dem Tau und schon ist das Segel ausgepackt, also alles so, wie es sein musste. Gut ist, dass das Segel, welches ja schon einen halben Tag in dieses enge Korsett geschnürt war, gar nicht registriert, dass es die Freiheit zurück hat - zumal kein Wind weht... Also bleibt es relativ fest zusammengeknorkelt.

Ich habe vorher schon einen Einfachblock eingebunden, also ein Tau drumgelegt, festgebunden und die beiden Enden frei baumeln lassen. Jetzt schiebe ich das freie Ende des Niederholers durch diesen Block und ermittele die Position am Niederholer, an dem der Block sein muss, wenn das Segel wieder ordentlich eingepackt seine endgültige Parkposition erreicht hat. Und genau da mache ich einen Knoten in das Tau, über den der Leitblock unmöglich rutschen kann. Nun kann ich das Segel wieder einpacken. Diesmal tue ich das mit deutlich weniger "Umarmungen" - was ich da im ersten Durchgang produziert habe, war bei nochmaligem Betrachten doch ein wenig zu viel des Guten.

Erst jetzt platziere ich die beiden freien Enden des eingebundenen Leitblocks beidseitig um das Segelstag und ziehe sie mit einem Knoten fest. Zusätzlich bringe ich vorher noch das Tau für das Nockhorn (oben rechts am Segel) an, lege das ebenfalls um das Stag und befestige es. Verleimen, Enden kappen - und das Segel sitzt so, wie es soll. 

Von dieser ganzen Aktion habe ich leider keine Bilder, man sieht es aber gleich im Endergebnis. 

Soweit bin ich aber noch nicht - jetzt gilt es, die Halstaue ordentlich zu befestigen. Diese werden jeweils durch binnenbords an den Wanten angebrachten Leitkauschen zu ebenfalls binnenbords weiter unten an den Wanten angebrachten Klampen geführt und dort belegt. Nun, so eine Kausche ist ja schnell eingebunden und dann auch relativ problemlos am Wanttau befestigt. Ich ziehe das Halstau vor dem Anbringen am Want durch die Kausche, das erleichtert die Arbeit ungemein.

Nun zu den Wantklampen. In dem Ätzsatz von dafi sind ja auch Klampen - was ein Glück auch. Diese bereite ich wie folgt vor: Ich nehme dünnes schwarzes Garn und binde dies mit einem halben Knoten an die zwei Stege, die der Festmacherei dienen. Erst dann schneide ich die Klampe von ihrem Steg.

Jetzt kommt der fitzelige Teil: Man sieht, wie groß (oder besser klein) so ein Teil ist - ein Quadrat auf der Schneidematte hat eine Kantenlänge von 1 cm. Jetzt also die beiden Tauenden des ersten Stegs von binnenbord aus links und rechts am Wanttau vorbei führen, einen halben Knoten schlagen und vorm Festziehen versuchen, zum einen etwas Ponal Turbo an die Rückseite des Wanttaus zu bekommen und zum anderen dann den Knoten so zuziehen, dass die schmale Kante der Klampe genau auf das Tau trifft und dort der Leim für einen gewissen Halt sorgt. Anschließend dann genauso vorsichtig das zweite Garnpaar festziehen.

Mit etwas Übung schafft man das irgendwann ganz locker. Nun noch die Halstaue dort entsprechend belegen und fixieren.

Das freie Ende des Niederholers belege ich an einem Nagel der Fockmastbeting; die Schoten werden auf dem Querholm der Beting befestigt. (Später werde ich noch sog. Puppen bauen, also Taurollen, die die aufgeschossenen Taue zeigen.)

Und schon ist es soweit - das Segel ist genau da, wo es hin soll, alles dazugehörige Tauwerk ist ordentlich vertäut und ich habe schon drei von sieben geplanten Stagsegeln angebaut.

Mit dem Großbramstagsegel geht es weiter. Da die Art und Weise der Vorbereitung und Anbringung ähnlich ist, beschränke ich mich in der Erläuterung auf die maßgebenden Besonderheiten. Dieses Segel hat auch ein eigenes Segelstag - welches dummerweise schon längere Zeit gesetzt ist. Aber diesmal komme ich um einen klassischen Abriss herum - das Stag lässt sich wunderbar im Mars des Fockmastes lösen, so dass ich es nach dem Auffädeln des vorbereiteten Segelpäckchens wieder gut befestigen kann. 

Nun ist das letzte der Stagsegel "zwischen den Masten" dran. (Die Vorsegel sind ja auch Stagsegel; aber das wird ein neues Kapitel.)

Heute beschäftige ich mich also mit dem Mittelstagsegel. Dass es an einem eigenen, noch nicht angebrachten Stag gefahren wird, bringt mich um eine weitere Abrissaktion und macht es mir auch ein wenig leichter.

Das Stag wird an einem losen Stagkragen befestigt. Lose heißt, dass er sich an der Fockmarsstenge auf und ab bewegen lässt - was er auch tut, wie man den beiden ersten Bildern im direkten Vergleich entnehmen kann. Das bedeutet aber auch, dass zusätzlich zu den Tauen, die an das Segel müssen, noch ein weiteres Tau, der Aufholer, an diesem Stagkragen angebracht werden muss. Das lose Ende läuft erst zu einem Block, der an der Bramsaling befestigt wird, und wird dann durch das Soldatenloch hinunter zum Deck geführt, wo es an der vorderen Nagelbank des Fockmastes belegt wird.

Das Segel verkleinere ich wieder etwas, bevor ich es mit Liektau, Hörnern und Stagreitern versehe. Die Vorgehensweise beim Anbringen ist dann wie folgt: Das Segel wird zuerst wieder in meiner Hilfskonstruktion vorschriftsmäßig mit dem Niederholer eingebunden. Nun wird das eine Ende des Stages an der Kausche des bereits gezeigten Stagkragens befestigt. Das andere Ende fädele ich durch die Stagreiter des vorbereiteten Segels und führe es anschließend durch eine Öffnung der backbordseitigen Scheibenklampe am Top der Großmarsstenge. Jetzt kann ich an der richtigen Stelle einen Doppelblock an das Ende setzen und mit einem auf der Großmars in einen Augbolzen eingehängten Einfachblock und einem Taljereep eine Anholtalje bauen. Das lose Ende der Talje läuft durch das Soldatenloch und wird dann an der Beting des Großmastes belegt.

Nun noch die Taue am Segel:

Das Fall läuft durch eine Öffnung der steuerbordseitigen Scheibenklampe und wird dann an einer Wantklampe am hinteren Want des Großmastes belegt.

Der Niederholer läuft durch das Soldatenloch und findet seinen Festmachpunkt ebenfalls an der vorderen Fockbeting.

Die beiden Hälse werden beidseitig durch binnenbords angebrachte Leitkauschen geführt und dann an den Marswantjungfern belegt.

Mit den Schoten sichere ich das eingepackte Segel zusätzlich und binde diese am Stagkragen des Großmarsstags fest.

Damit sind alle Stagsegel - die Vorsegel ausgenommen - die ich anbringen wollte, angebracht. Sehr kundigen Menschen wird auffallen, dass zwei fehlen. Da wäre zum einen das Kreuzbram-Stagsegel. Diesem kleinen Fetzen Stoff am obersten hintersten Stag zwischen Besan und Großmast kann der Kapitän meiner Mercury rein gar nichts abgewinnen, weshalb er das Tuch in der Segellast verstauen ließ. Und auch das Großstagsegel bleibt dort. Bei Schrage lese ich, dass dieses Segel nur bei Bedarf angebracht wird - und den Bedarf sehe ich für das, was ich mit meiner Mercury vorhabe, nicht. Weiter vorn ist ja bereits zu lesen, dass mein Modell nach Fertigstellung seinen Platz in einer Vitrine finden wird, in "Wasser" schwimmend, eine Szene kurz vor einem Gefecht mit einem feindlichen Schiff. In solchen Situationen waren die Stagsegel zumeist eher nicht gesetzt - auch hier wieder die Vorsegel ausdrücklich ausgenommen. 

 

Ein Wort zu den Schoten

 

Die Schoten sind die Taue, welche an den hinteren unteren Segelecken befestigt sind. Zumeist ist das ein Tau, welches in seiner Mitte mit einem Schotenstek am Schothorn befestigt wird. Die beiden Schotschenkel laufen dann an beiden Schiffsseiten zu festgelegten Punkten. Je nachdem auf welchem Kiel das Schiff fährt, muss das Stagsegel zu der einen oder der anderen Seite gezogen werden - dafür sind die Schoten da. Das heißt, bei gesetztem Stagsegel ist stets eine Schot lose und die andere ist dichtgeholt. 

Was aber ist mit den Schoten, wenn das Segel so wie an meiner Mercury nicht gesetzt ist? Ich habe mich dafür entschieden, die Schottaue dazu zu nutzen, das Segel an seinem unteren Ende am jeweils nächstmöglichen, die sonstige Schiffsführung nicht beeinträchtigenden Punkt zu sichern. Die Entscheidung, die Schoten so und nicht anders zu behandeln, habe ich mal nicht aus einem der vielen Bücher - da habe ich nirgends was gefunden, was speziell mit diesen Tauen im geborgenen Zustand geschieht. Ich habe mich in die Situation des Segelmeisters der Mercury versetzt und mir folgendes überlegt - und das gilt für alle Schoten der bisher angebrachten und samt und sämtlich geborgenen Segel:

Sind die Stagsegel gesetzt, ist die Führung der Schoten klar definiert. Sie ist von Segel zu Segel unterschiedlich, aber eins eint sie alle: Würde man sie im geborgenen Zustand da lassen, wo sie im gesetzten Zustand sind, baumelten sie sinnlos umher, bildeten zusätzliche Stolperfallen und wären speziell im Gefechtsfall, wo man einfach nur Platz und bestmögliche Sicht braucht, nur im Weg. Um das am Beispiel des eben angebrachten Mittelstagsegels zu erläutern: Die Schoten gehen hier beidseitig der Stage an Deck, wo man sie querab vom Großmast durch Fußblöcke am Setzweger schert. Die holenden Enden werden dann an Belegnägeln im hinteren Bootsbalken - oder wo sonst Platz war - belegt. So ähnlich werden auch die Schoten der anderen Stagsegel geführt, was bedeutet, dass da auf dem Achterdeck ganz schön viel Blöcke und Taljen und anderes mehr zusätzlich wäre. Dazu kommt, dass die Stagsegel (von den Vorsegeln ausdrücklich abgesehen) während eines Gefechtes wohl so gut wie nie gesetzt werden - da hat man ganz andere Probleme.

Da ich also mit meiner Mercury kurz vor einem Gefecht stehe, habe ich in Absprache mit dem Segelmeister so entschieden, wie ich entschieden habe. Wenn sich dann doch die Situation ergibt, dass die Stagsegel schnell gesetzt werden müssen (fliehenden Feind verfolgen; vorm verfolgenden Feind fliehen...), stehen sofort ausreichend Männer zur Verfügung, um die Schoten loszuwerfen, durch die Leitblöcke zu führen und diese an den richtigen Stellen an Deck einzuhaken.

 

Und nach so viel Fachchinesisch habe ich noch ein paar schöne Bilder meines Modells.


 

Was folgt als nächstes?

 

Jetzt wage ich mich an die Vorsegel. Zum ersten Mal werde ich also gesetzte Segel anbringen - spannendes Neuland für mich. Ich habe vor, dazu zuerst mal mit Segeln, die ich für mein Modell nicht benötige (Blinde, Bovenblinde, Großstagsegel) außerhalb des Schiffs zu experimentieren, um Erfahrungen zu sammeln. Und dann wird es sicher auch hier bald weitergehen...