Baubericht HMS Mercury, Kapitel 17: Vorbereitung der Rundhölzer; neue Shipyard-Scherze


Bugspriet

 

21. November 2015

Wer meinen Baubericht aufmerksam gelesen hat, wird wissen, dass ich mich zwar den eher langweiligen Passagen auch stelle und sie zu meistern versuche, aber vor allem immer bestrebt bin, hauptsächlich Spaß am Hobby zu haben - weshalb ich auch immer mal wieder zwischendurch irgendwelche Teile baue, die aktuell noch keine wichtige Rolle spielen. So auch gestern.
Derzeit ist es so, dass ich die meiste Zeit, in der ich mich mit meiner Mercury befasse, für unbedarfte Beobachter äußerst unproduktiv wirke. Ich sehe mir immer wieder die verschiedenen Blätter der Bauanleitung an, blättere in diversen Büchern, bemühe das Internet... kurzum, ich bereite mich auf das Kommende vor. Und dann kommt es ab und an zu so kleinen Eruptionen, die dann irgendein Teil hervorbringen. So auch heute. Ich habe mir mal angeschaut, wie das so ist mit dem Bugspriet und dem Klüverbaum. Für die Landlubber zur Erklärung: Der Bugspriet ist das Rundholz, das vorn am Schiff so schräg nach oben zeigt. Und der Klüverbaum ist das Rundholz, das an das vordere Ende des Bugspriets angebracht ist und diesen schrägen Speer noch verlängert. 
Bugspriet und Klüverbaum haben einiges an Schwerstarbeit zu leisten, an ihnen sind einige wichtige Taue befestigt. Um so bedeutsamer ist eine feste Verbindung dieser beiden Rundhölzer. Dafür wird der Bugspriet mit einem sog. Eselshaupt ausgerüstet, durch das dann der Klüverbaum geschoben wird.

In der Bauanleitung sehen wir dazu das hier:

Klar soweit?

 

Also galt es zuerst einmal, das entsprechende Rundholz in die richtige Länge und die richtige Form zu bringen. Nun, abgesägt ist schnell, und dann wurde schon mal das Aufnahmeteil für das Eselshaupt angezeichnet.
Nun bin ich ja bekanntermaßen Kartonmodellbauer, kenne mich mit Papier aus - aber relativ wenig mit der Bearbeitung von Holz. Irgendwelche Geräte dafür wie Drehbank oder so habe ich nicht, nur so ein Dremel-ähnliches Gerät von Westphalia. Aber ich erinnerte mich, dass ich vor langer Zeit, aus einem mir überhaupt nicht mehr präsenten Grund, einen Satz Schnitzmesser gekauft hatte.
Also ran an den Feind ... ähm, an das Holz. Es galt, das Ende des Bugspriets so zu gestalten, dass es durch die Öffnung dieses Kartonteils passt:
Nachdem ich mit dem im Bild gezeigten Werkzeugen überraschenderweise zu einem passablen Ergebnis gekommen war, musste nun nur noch das Eselshaupt gebaut werden.
Wer den Fehler im zweiten Bild erkennt, ist wirklich gut! Er wurde dann auf jeden Fall korrigiert...

Dann kam Farbe drauf - auch hier gilt: Schwarz ist bunt genug. Und anschließend dann bitte zur Anprobe.

Das Teil ist noch nicht festgemacht. Bevor das passiert und der ganze andere Kram (Violine mit Scheibgatt, Klüverbaumzurringklampe, Klüverbaumsattel...) drankommt, passieren noch etliche andere Dinge. Aber ich weiß, dass ich das Teil fertig habe, und wenn es dann gebraucht wird, geht es ganz schnell.


Shipyard-Scherze an den Untermasten

 

30. Dezember 2015

Ist ja nicht so, dass ich mich nicht regelmäßig mit meiner MERCURY beschäftige. Aber derzeit bin ich mal wieder viel mit der immer mehr Fragen als Antworten gebenden Bauanleitung beschäftigt. Und aktuelle Ereignisse, zu denen ich gleich komme, bringen mich dazu, mich noch intensiver vorausdenkend mit meinem Modell zu befassen. Dann habe ich noch beim Herrn dafi die eine und die andere Platine mit Ätzteilen bestellt und musste dann feststellen, dass er offenbar irgendeine Geheimlegierung benutzt, die sich meinem ansonsten zuverlässigen Brüniermittel beharrlich widersetzt; da muss auch noch für Klärung gesorgt werden, was aber angeleiert ist.
Aber es juckte mich, mal wieder was Greifbares zu produzieren. Und da es ja, wenn denn die Rüstbretter endlich mal fertig sind, unweigerlich in die Höhe geht, habe ich mich mal mit dem Großmast befasst. Und dabei habe ich festgestellt, dass die Konstrukteure bei Shipyard manchmal eine recht seltsame Form von Humor entwickeln - oder sie wollen es für uns Modellbauer extrem spannend machen. 
Also: Im ersten Bild mal der Großmast in Rohform. Er ist bereits seit ein paar Tagen auf die in der Bauanleitung aufgezeigte Länge geschnitten und mittels Sandpapier der Stärken 80 und danach 150 leicht verschlankt. Daneben liegt die Bauanleitung, nach der ich mich genau gerichtet habe.

Dann habe ich den Mast gestrichen, mit einer wasserlöslichen Acrylfarbe von Vallejo, "Patina Ocre 70.831 Tan Glaze". Und da der Klüverbaum ja auch schon als fertiger Rohling da liegt, kam der auch gleich unter den Pinsel. Die Farbe sehr dünn aufgetragen, damit die Holzstruktur zu erkennen bleibt.
Aber nach zwei Anstrichen war ich nicht zufrieden, beide Rundhölzer sahen irgendwie rauh aus und fühlten sich auch so an. Nun ja, Sandpapier mit Körnung 150 ist nun nicht gerade das Zarteste... Ich fand dann noch einen Bogen 400er - und siehe da, die Farbe war nun zwar wieder runter, aber meine Masten sahen viel besser aus. Erneut gestrichen, zwei mal das Ganze, und dann noch mit Acryl "Matt Varnish", ebenfalls von Vallejo, was den Hölzern einen feinen seidigen Glanz gab. Sieht man auf dem Foto jetzt nicht - muss man mir jetzt einfach mal glauben.

Die rumliegenden Teile zeigen die Mastschalen, den Masttop, die Mastbacken und die 4 Decksbalken, die als Auflieger für die Beiboote dienen.
Und beim Masttop begann nun der Spaß. Auf dem dritten Bild sieht man den Masttop mit Mastbacken, fast fertig gebaut, was noch fehlt, sind die restlichen Eisenbänder sowie die Scheibgatts auf beiden Seiten. Die Mastbacken dienen ja als Auflage für die Salinge.

Und an der Stelle höre ich auf, denn sicher hat man das große Fragezeichen erkannt: Shipyard meint, den Masttop als extra Teil bauen zu lassen. Das heißt, dass die Verbindung zwischen dem Untermast und allem, was dann da oben noch drauf kommt, aus einer Klebefläche von weniger als einem halben Quadratzentimeter besteht. Hört sich nach einer stabilen Basis für vielen verschiedenen Zugkräfte, die da später von allen Seiten ansetzen, an... 

Und laut Bauanleitung und vorhandenen Einzelteilen meint Shipyard, das an allen drei Untermasten so bauen zu müssen. Ich habe mir mal den Weißleim genommen und das Teil auf den Mast gesetzt, um zu zeigen, wie das dann aussehen soll. 

Sorry, Shipyard, bei allem Respekt, aber was euch da geritten hat, wisst ihr wohl selber nicht. Ich könnte ja mal darüber nachdenken, einen Stahlstift einzusetzen, um eine feste Verbindung zu schaffen. Aber ich glaube, ich werde mir ein neues passendes Rundholz für den Großmast holen und das dann so bearbeiten, dass Mast und Masttop ein einheitliches Ganzes sind.
Als ich das Rundholz auf die "richtige" Länge brachte, hatte ich dieses Problem noch nicht auf dem Schirm, weil ich einfach nicht damit gerechnet habe, dass mir Shipyard ein derartiges Ei legt! So richtig glauben kann ich es immer noch nicht, aber auch beim zwanzigsten Mal Bauanleitung anschauen komme ich zu keiner anderen Erkenntnis: Die meinen das ernst! Unglaublich. Ab sofort also noch viel mehr vorheriges Gucken, Denken, Fachbücher zu Rate ziehen...

 

Nachtrag April 2019: Ich besuche die "Intermodellbau 2019" in Dortmund, weltgrößte Messe für Modellbau und Modellsport. Am Stand von Shipyard komme ich ins Gespräch und diskutiere mit den netten jungen Leuten dieses Problem. Sie verweisen auf einen extrem guten Sekundenleim, erklären, dass sie sowohl den Masttop als auch die Mastbacken gründlich mit Sekundenleim tränken und es dann halten würde. Ok, ich bleibe skeptisch. Und als ich ihnen schildere, dass ich letztendlich den Untermast samt Top aus einem Stück Rundholz hergestellt habe, nicken sie und meinen, dass das auf jeden Fall auch nicht verkehrt sei. 

Manchmal geht's schnell. Ich war vorhin im Baumarkt um die Ecke und habe mir ein neues Rundholz gekauft. Dann bin ich unter die "Holzwürmer" gegangen und habe mit meinen äußerst bescheidenen Mitteln versucht, aus einem Rundholz auf 7,2 cm Länge ein Vierkantholz zu machen. Da das ja eine recht staubige Angelegenheit ist, habe ich mich dazu auf den Balkon verzogen. Schön, dass endlich sowas wie winterliche Temperaturen da sind, dadurch war es dann auch nicht zu warm bei der Arbeit...
Der Rohling liegt nun vor mir, und ich bin recht zufrieden. Der Masttop von gestern liegt daneben und soll jetzt zerpflückt werden - ich will versuchen, die Mastwangen zu retten.

31. Dezember 2015

Vormittags kann man sich ja auch am letzten Tag des Jahres noch ein wenig mit dem Schiffchen beschäftigten.

Ich habe, auch eingedenk der gestrigen Erfahrung, nochmals sehr kritisch die Bauanleitung studiert und bin beim Recherchieren zu einigen Details auf mehr Fragen als Antworten gestoßen:
1) Je mehr man sich mit einem Thema befasst, desto verwirrender wird es manchmal. Ich wollte nun die ersten Wuhlings am Großmast meiner Mercury anbringen. Die Frage nach der Taustärke war dann schon das erste Problem, das habe ich wie folgt gelöst: Blick in den Marquardt, Tabelle Seite 402, Umrechnen, also 0,25 m Durchmesser nehmen. (Da ich beim ersten Mal den am Anfang der Tabelle stehenden Wert genommen habe - 110 bis 74 Kanonen - durfte ich die Wuhling am Bugspriet wieder runterfetzen, sah mir gleich so verdächtig fett aus mit dem 0,5er Garn...)

2) Der Bauplan sieht vor, die Wuhlings mit Bändern einzufassen, und die in Farbe des Mastes. Da ich ja nun gelernt habe, erst einmal nichts zu glauben, was in der Bauanleitung steht, habe ich mal in diversen Büchern geblättert, meine Fotos aus dem NMM in Greenwich studiert und mir in einem anderen Forum viele historische Segelschiffe, also Modelle davon, angeschaut. Da finde ich nun überall einen bunten Strauß an Möglichkeiten:
- Wuhling ohne Einfassung
- Wuhling mit schwarzer Einfassung
- Wuhling mit mastfarbener Einfassung
Ich neigte ja dazu, sie schwarz einzufassen, ließ mich dann aber davon überzeugen, dass bei Schiffen der Größe und dieser Zeit die Einfassung aus Holz waren und somit die Farbe wie der Mast bekamen.

3) Unklar war mir auch der Sinn und die Art der Befestigung der Frontschalung am Fock- und Großmast. Auch das konnte ich aber klären; sie dient zum Schutz beim Abfieren der Fock- bzw. Großrah und wurde ebenso wie die Seitenschalungen mit den Wuhlings eingefasst.

 

Tja, und dann habe ich feststellen müssen, dass mein schwarzes 0,25er Takelgarn fast alle ist - also komme ich erst einmal an dieser Stelle nicht weiter. Macht aber nix, es gibt ja noch genug anderes zu tun am Schiff. Und jetzt kommt erstmal Silvester und Neujahr und Wegfahren und Feiern und so...
Also, für dieses Jahr schließt die Werft ihre Tore. Im neuen Jahr geht es dann weiter.
Ich will dann wenigstens das zeigen, was ich heute geschafft habe. Auf meinen neuen Großmast bin ich wie ein bissel stolz, und man sieht die (einzige) Wuhling am Bugspriet. Und dann mal die beiden Masten am künftigen Einsatzort.


15. Januar 2016

Ich habe mich in den zurückliegenden Werftstunden weiter mit dem Großmast und auch mit dem Bugspriet und dem Klüverbaum beschäftigt. Ich fange mal mit dem Großmast an. Das Bild über diesem Absatz hier zeigt den Arbeitsstand vom Jahresende. Je öfter ich mir das angeschaut habe, desto unzufriedener war ich. Ganz klar, der Mast im Vergleich zum Masttop war noch viel zu dick. Also musste wieder geschliffen werden. Mit Feile und Sandpapier und viel Geduld - eine Drehmaschine oder ähnliches besitze ich ja nicht - wurde der Mast dann auf das richtige Maß gebracht. War ja logisch - ich brauchte ein Rundholz mit 15 mm Durchmesser, der Baumarkt hatte aber nur 16mm...
Dann kam erneut Farbe drauf, und los ging es mit den Eisenbändern. Die dafür gefertigten Kartonstreifchen strich ich mit einem tiefdunklen Grau. Dann kamen die ersten Wuhlings dran, und ich dachte mal wieder daran, ein Foto zu machen. Für die Wuhlings nehme ich Takelgarn von Amati, Stärke 0,25mm.

Die Wuhlingeinfassung sind schmalste Kartonstreifchen. Viel später war dann endlich der Großmast fertig und präsentiert sich in all seiner Schönheit.
Und natürlich musste er an seinen künftigen Platz gesteckt werden - ja, so sieht das schon recht hübsch aus.


Ganz oben am Untermast: Saling

Dann nahm ich mir die Saling vor. Die Saling ist die Auflage für die Marsplattform. Auch hier hält Shipyard wieder ein interessantes Easter-Egg bereit! Die Teile für die Großmastsaling heißen 384 und 385. Man kommt darauf durch ein bissel logisches Mitdenken, denn die Bauanleitung zeigt das so nicht direkt. Egal - der Witz ist der: Beide Teile gibt es logischerweise 2x, und jedes Teil entsteht dadurch, dass man zwei gleiche Teile aufeinander klebt. Aaaaber: Jeweils zwei der erforderlichen Teile sind auf Bogen 27, die anderen auf Bogen 29. Klebt man nun die beiden vom 27er zusammen, bekommt man aber ein Problem, da die Bögen27 und 29, beide aus Finnpappe, in der Dicke geringfügig unterscheidlich sind. Der Trick, den einem die Bauanleitung nicht verrät, ist der, jeweils ein Teil vom 27 und ein Teil vom 29 zusammenzukleben. Wenn nicht, hat man ein zu dünnes und ein zu dickes Teil und bekommt Probleme beim Zusammenbau der Saling. Das erste Bild hier zeigt das, glaube ich, recht gut.
Da ich ja mittlerweile in dieser Hinsicht leidgeprüft bin, habe ich die Falle rechtzeitig erkannt und bin nicht reingetappt. Folglich passt auch alles, die Saling sieht im Rohbau schon gut aus. Aber wer nun meint, nun ist ja alles gut - nein, nein. Nächste Falle: Wer die Saling fertig verleimt und will sie dann auf den Masttop stecken, hat das im Bild 3 zu sehende Problem: Die Scheibgatten wollen partout nicht durch den schmalen Schlitz! Aber der Bonden hat aufgepasst und hat nur eine Strebe verleimt.
Und also kann ich die Saling problemlos auf den Masttop schieben und dann die zweite Strebe einsetzen. Aber auch das hier ist nur eine Trockenübung; der finale Zusammenbau kommt erst später.