Baubericht Papegojan, Kapitel 21: Wanten und Webleinen


 

An diesem Punkt des Baus hatte es eine mehrmonatige Werftruhe gegeben. Aber manchmal braucht man eine schöpferische Pause, und dauert sie noch so lange. Aber seit ein paar Wochen drängelt sich langsam, aber stetig wieder die Lust am Weiterbauen nach vorne, und nun ist es soweit. Immerhin wartet da ja seit März die Mercury darauf, endlich begonnen zu werden, und ich habe mir ganz fest vorgenommen, damit erst zu beginnen, wenn die Papegojan fertig ist. Lange Rede, kurzer Sinn - es geht endlich wieder weiter auf meiner Werft. Die Finger waren erstaunlich schnell wieder im Friemel-Modus, was dazu führte, dass ich heute in einem wilden Anfall von Takelwahn die Besanwanten komplett getakelt habe. Darüber hinaus wurde die Marsplattform des Großmastes fürs Anbringen der Stengewanten vorbereitet.
Und dann gab es Tusch und Trommelwirbel: Zum allerersten Mal in meiner Kartonmodellbaukarriere habe ich eine Webleine geknüpft! Und es ist mir erstaunlich gut von der Hand gegangen. Dennoch weiß ich schon jetzt, dass das nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen zählen wird...
Beim Fotografieren habe ich aber eins festgestellt: Knips das nicht bei Kunstlicht in Nahaufnahme! Die 0,1mm-Webleinen sehen aus wie die dicksten Stricke, die schöne beige Farbe des Garns leuchtet strahlend weiß, und man sieht Fusseln, die beim Betrachten in echt gar nicht da sind.
Deshalb jetzt ein Bild von etwas weiter weg, so. Man sieht die Besanwanten und meine eine Webleine, und dann noch - auf dem nächsten Bild - die Marsplattform mit den unteren Rüstjungfern.

Das war dann auch ein langer Werfttag! Aber auch ein erfolgreicher, wie ich finde. Was wurde geschafft:
- Das bisher blöderweise vergessene Besanstag angebracht. Echt was zum Fingerbrechen, nachdem der Großmast schon so hübsch verwantet ist.
- Alle Taljereeps der Wanten ordentlich belegt.
- Großmars aufgesetzt, Püttingswanten befestigt.
- An der Fockmars alle Püttingsjungfern eingebunden und angebracht.
- An der Großrah Violinblöcke angebracht.
- Das Großsegel mit einem Liektau eingefasst und dabei Nocklegel und Schothörner angebracht.
- Meinem Werft-Diorama einen ersten Wasser-Entwurf verpasst.
- Arbeiter angeheuert.
So, nun im Detail.
Dass der Besanmast auch ein Stag braucht, war mir schon bewusst, aber irgendwie hatte ich das verdrängt. Nun ja, hat Spaß gemacht - das braucht man im Maßstab 1:96.
Taljereeps belegen - man weiß ja, wie das geht. Also wie es korrekt geht. Nämlich das lose Ende als erstes zwischen Jungfer und Want, also in diese winzige Lücke unterhalb des Zurrings, fädeln, dann mit 3 bis 5 Rundschlägen befestigen. Die riesige Lanze hier im Bild ist eine kleine Nähnadel von 3 cm Länge - bei manchen meiner ebenso liebevoll wie bombenfest eingebundenen Rüstjungfern habe ich beim Durchfädeln Blut und Wasser geschwitzt, da ich doch arg zerren musste, um die Nadel da durchzubekommen. Und man muss schon sehr nah ran gehen und gute Augen oder eine gute Brille haben, um zu sehen, dass es genau so gemacht wurde. Aber egal: Ich weiß es! Aber ich gebe zu, dass ich es bei ein paar wenigen Wanten nicht so gemacht habe, da ich einfach nicht mit der Nadel durchgekommen bin - und bevor mir da irgendwas abreißt...

Da ich Lust hatte, auch mal was anderes zu bauen, etwas, was ich jetzt noch gar nicht brauche, habe ich mir mal das Großsegel vorgenommen. An dem Teil hab ich echt fast zwei Stunden gesessen. Ich habe überlegt, ob ich das Liektau annähe, habe das aber verworfen. So gut bin ich im Nähen nicht, und bei dem Maßstab lohnt das nicht wirklich, dachte ich mir so. Habe es daher Zentimeter für Zentimeter mit Ponal Turbokleber angebracht, immer darauf achtend, dass nur das Tau am Segel klebt und nicht das Tau oder das Segel an der Arbeitsplatte oder an meinen Fingern... Bei den Nocklegeln, also den beiden rausstehenden Tau-Beulen in den oberen Ecken, habe ich aber brav genäht!
Zum Vergleich hab ich mal das unbehandelte Focksegel daneben gelegt - ich bin mit dem Ergebnis jedenfalls zufrieden.

 

Ja, und endlich konnte ich ein paar Werftarbeiter anheuern, die hoffentlich mit dazu beitragen, dass die Papegojan bald fertig wird. Weitere Einstellungen sind geplant!
Was mir Sorge macht, ist, dass der Typ links im Bild ein auffälliges Interesse an dem großen Fass zeigt. Falls er vermutet, dass da Rum drin ist, hat er sich getäuscht, hihi! Das Teil ist gefüllt mit Sauerkraut, schließlich muss man seine Mannschaft ja skorbutfrei und bei Laune halten - und sauer macht ja bekanntlich lustig...

Ich muss sagen, das Wantenknüpfen ist nicht so nervig wie ich befürchtet habe, aber auch nicht so locker, wie ich gehofft habe. Die Steuerbordseite der Großmastwanten ist fertig, und für mein erstes Mal bin ich recht zufrieden. Ich habe extra auf dieser Seite angefangen, da das dann später die dem Hafen zugewandte Seite ist und man so die kleinen Anfängerfehler nicht so schnell oder hoffentlich gar nicht entdeckt. Und ich habe reichlich Lehrgeld gezahlt. Der dickste Klops ist mir bei der fünften Webleine von oben passiert - Püttingswanten nicht mitgezählt. Seht ihr's? Und gemerkt hab ich es erst, als alles schon fest und fertig war. Aber da oben wird es aber auch eng! Da kann man schon mal einen Knoten um zwei Wanten machen...
Bei den nächsten Wanten heißt es also besser aufpassen - das jetzt alles noch mal runterreißen und neu machen werde ich nicht tun, zumal ich dabei mehr kaputt machen würde als es wert ist. Zur Erinnerung: Marsplattform und Marssaling sind - wie fast alles am Schiff - aus Karton und fest miteinander verklebt. Und so schlimm sieht es nun auch nicht aus, und wenn ich es nicht freiwillig verraten hätte, hätte es wahrscheinlich kaum einer gemerkt.
Aber dennoch bin ich ganz zufrieden mit dem Geschafften, und einer meiner fleißigen Arbeiter inspiziert nochmal die Fockmars, denn da geht es nun bald los mit der zweiten Etage.