Dieser Törn war für mich ein kleines Jubiläum - es war meine fünfte Fahrt mit dem schmucken Dreimaster. Und es war ein würdiges Jubiläum - und dazu noch ein äußerst abenteuerliches. Immer wenn man denkt, man hat schon alles erlebt, was man auf so einer Fahrt erleben kann, korrigiert einem das Leben die eigenen Vorstellungen...
Tag 1 und 2
In diesem Jahr geht es wieder auf die Ostsee, und wieder ist die Blücherbrücke in Kiel die Liegestelle unseres Schiffes. Am Ostermontag abends entern wir nach einer gewohnt lustigen und auch feuchtfröhlichen Zugfahrt von Berlin unsere geliebte HENDRIKA BARTELDS. Die Zahl der Neulinge ist ungewohnt hoch: Gleich 11 der insgesamt 28 Sailies sind zum ersten Mal dabei. Einen Teil der "Landlubber" habe ich auf dem Berliner Vortreffen bereits kennengelernt; zwei der Neuen bringe ich selbst mit, Freunde aus zwei der Foren, in denen ich regelmäßig aktiv bin. Und um das gleich mal voran zu stellen: Alle 11 fügen sich wunderbar in die Truppe ein, sind lernbegierig, machen aktiv mit und haben deutlich erkennbar viel Spaß auf unserem Törn.
Wie immer gibt es eine erste Begrüßung und Einweisung durch Raggi, unseren Käptn, und auch Klaus, Smutje und Organisator der Tour, begrüßt alle. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde gehen alle nahtlos zum gemütlichen Teil über, und es wird ein richtig schöner Abend.
Am nächsten Morgen beim ersten gemeinsamen Frühstück kündigt Raggi schon mal an, dass wir wohl heute nicht rausfahren werden. Der Wind ist zum einen viel zu stark und zum anderen auch gegen uns. Das merken wir dann kurze Zeit später, als mal wieder die Kompasskalibrierer an Bord kommen. Geplant ist, ein paar Runden in der Kieler Förde zu drehen, unter Motor, um den Kompass zu überprüfen und zu eichen. Aber nicht einmal das gelingt, der Wind drückt uns an die Mole, wir kommen einfach nicht weg. Also beginnt unser diesjähriger Törn gleich mal mit einem Liegetag in Kiel. Da sich alle dafür entscheiden, von Bord zu gehen, um entweder in die Stadt oder raus nach Laboe zu gehen bzw. zu fahren, fällt das Mittagessen aus. Das finde ich gut, denn ich hätte heute Mittagsdienst.
Doch zuvor kommt noch eine wichtige Lieferung: Das Bier! Die Fässer werden mittels Rahtalje an Bord gehievt, und da viele Hände mit anpacken, sind bald alle Fässer an Bord verstaut.
Da ich Laboe zum einen kenne und das zum anderen so überhaupt nicht mein Ding ist, gehe ich nach einem leckeren Mittagessen im nahen Fischrestaurant Richtung Innenstadt, immer am Wasser entlang. Vorbei am Ostseekai, wo man die großen Kreuzfahrtschiffe besteigen kann, komme ich schließlich zum Schifffahrtsmuseum. Das Außengelände bietet eine große Freude für mich, denn dort liegt die Hanse-Kogge, ein 1:1-Nachbau der 1962 bei Bremen gefundenen Kogge aus dem Jahre 1380.
Zwei Männer an Bord sind am Arbeiten; das Schiff wird für die beginnende Saison seetüchtig gemacht. Die Rah liegt noch an Deck, soll später wieder an den Mast kommen. Natürlich mache ich eifrig Fotos. als dann ein modernes Kreuzfahrtschiff vorbeifährt, wird einem der Kontrast von Seefahrt gestern und heute sehr deutlich.
Das Schifffahrtsmuseum selbst ist für mich eine Enttäuschung. In der ehemaligen Fischauktionshalle wird lediglich eine Sonderausstellung zum Kieler Matrosenaufstand 1918 gezeigt. Auch interessant, ja, aber unter einem Schifffahrtsmuseum stellt man sich eben doch etwas anderes und vor allem etwas mehr vor als nur ein zeitlich eng begrenztes Thema. Lediglich das Außengelände erfüllt den musealen Anspruch; neben der Kogge liegen noch ein paar weitere Museumsschiffe am Kai, zwar keine Segler, aber dennoch recht interessant.
Zurück zur Blücherbrücke, wo wieder einmal die ETHEL VON BRIXHAM liegt, ein Zweimaster, den wir schon oft hier und andernorts auf der Ostsee getroffen haben.
Am nächsten Tag geht es dann aber endlich los. Da die gestern so erfolglos angereisten Kompasskalibrierer für heute absagen, können wir schon bald nach dem Frühstück ablegen. In diesem Jahr hat Raggi wieder einmal neue Leute zu seiner Unterstützung. Unsere junge Matrosin heißt Sophie und kommt aus Dänemark. Im Gegensatz zu ihrem jungen Kollegen Colin, der aus Amerika kommt, spricht sie schon recht gut Deutsch und weist uns in die Grundlagen des Segelns ein. Alle dürfen das Aufschießen von Tauen üben, und natürlich wird auch das Thema Sicherheit angesprochen. Dann endlich gehen die ersten Segel hoch, und erst jetzt beginnt der Törn so richtig. Der Moment, wenn zum ersten Mal der Motor schweigt, ist immer wieder ein ganz besonderer für mich. Und nicht nur in meinen Augen sieht man die Freude glänzen.
Unser Ziel ist das dänische Sønderborg, wo wir bisher auf den Ostseereisen immer festgemacht haben. Die Fahrt dahin wird mir als einer der schönsten Törns bisher in Erinnerung bleiben. Bei traumhaft schönem Wetter segeln wir mit Windstärke 5 bis 6 über das Wasser. Das Schiff rollt und stampft in einem angenehmen Takt, und als der Wind noch ein wenig auffrischt, bin ich im Klüvernetz, wo ich die Schiffsbewegungen noch viel intensiver als an Deck wahrnehme. Es ist ein beeindruckender Anblick, wie der Bug immer wieder tief eintaucht, bis weit über die Anker, um sich dann wieder aus der See nach oben zu recken. Die Screenshots aus einem kleinen Video, das ich mit dem Smartphone aufnehme, können das nur bedingt zeigen, man muss es einfach selbst erleben.
In Sønderborg angekommen heißt es für das Arbeitsteam, dem ich angehöre, alles für das Abendessen vorzubereiten. Dazu gehört heute auch das Schälen von ganz viel Spargel. Es gibt nur wenige Küchenarbeiten, die ich scheue und gern an andere abgebe - und Spargel schälen gehört dazu. Aber als ich mich dann dafür entschieden habe, statt dessen die Schnitzel zu klopfen und das edle Gemüse anderen zu überlassen, weiß ich am Ende auch, was ich getan habe - mein Handgelenk jubelt, als es endlich geschafft ist. Aber was Klaus dann schließlich auftischt, lässt alle Mühen vergessen, und derart gestärkt freuen wir uns auf den nächsten Segeltag.