Mein erster Törn mit der Hendrika Bartelds

 

Tag 5

Am nächsten Tag dann endlich wieder Segelwetter! Unser Ziel war Flensburg, und das sollte der arbeitsreichste Törn der ganzen Tour werden. Das Wetter war recht durchwachsen, wolkig, kalt, ein wenig nass - aber egal, wir sind zum Frühjahrssegeln auf der Ostsee, da muss das so. Ich durfte wieder ans Ruder, und als ich mich dann irgendwann ablösen ließ, war ich echt erstaunt, dass ich dort 2 Stunden gestanden hatte - man merkt gar nicht, wie die Zeit vergeht! Der Skipper hatte mir gesagt, auf was ich zu achten hatte: Zum einen auf die ganz fern verschwommen wahrnehmbare Landmarke, dann natürlich immer den Blick zum Marssegel, um je nach Erfordernis anzuluven oder abzufallen, mit dem dritten Auge der Blick auf den Kompass, um den Kurs zu halten, und mit dem vierten Auge durfte ich die Aussicht genießen...

Das nasskalte Wetter hatte meine Handschuhe schon längst durchgeweicht, ich spürte meine Finger kaum noch, aber ich wusste nur eins: Das ist jetzt MEIN Steuerrad! Man bekommt recht schnell ein Gefühl, wie das Schiff auf das Ruder reagiert; das Trägheitsmoment ist gewaltig, und doch gelingt es schon bald, den Kurs wunschgemäß zu korrigieren.

Dann liefen wir Flensburg an. Nachdem wir die Halbinsel Hölnis umrundet hatten, lagen ca. 8 Seemeilen vor uns - wahrlich keine spannende Entfernung. Aber der Wind pfiff uns genau in die Zähne, und der Motor blieb dennoch aus. Im 20-Minuten-Takt rief uns der Skipper zum Segelmanöver an Deck, wir fuhren eine Wende nach der anderen. Es war echt verrückt: Kaum hatte man sich mal schnell in der Messe mit einer Tasse Tee aufgewärmt, kam schon wieder die nächste Durchsage über die Lautsprecher, und Raggi, unser Käptn, rief uns zum nächsten Manöver. Also hieß es wieder Taue loswerfen, Taue ziehen, Brassen, Taue belegen, Taue aufschießen. Ahnt ihr, wieviel Spaß das macht? Und es hat unser Team noch mehr zusammengeschweißt. Nur einmal musste er den Motor anschmeißen, um etwas nachzuhelfen, ansonsten klappten alle Manöver tadellos. Am Ende des Tages hatten wir 17 (!) Wenden am Stück gemeistert, wie der per Smartphone mitgekoppelte Kurs belegt. Ebenso wie mir ging es den meisten anderen auch: Wir waren maßlos stolz auf uns!

 

Flensburg, Hafen - wunderbar! Es gibt eine kleine Museumswerft, viele schmucke kleine Segelschiffe und als absolutes Highlight für mich einen originalen alten Ladekran aus dem 18. Jahrhundert!!! Ich habe einen ähnlichen in meinem Hafendiorama mit der Papegojan - ich hätte nicht gedacht, dass ich sowas mal in Echt sehen würde.

Üblicherweise kommt man ja in einem Ort mit der Bahn, dem Auto oder dem Flugzeug an - es war für mich hier, wie auch in allen anderen Orten, die wir ansteuerten, total spannend, eine Stadt von der Wasserseite aus zu erkunden. Man fühlt sich ein wenig wie die alten Seefahrer, die zum ersten Mal fremde Gestade betreten. Man ist neugierig auf das Neue, ist aber auch bestrebt, sich den Rückweg zum Schiff zu merken.

 

Tag 6

Irgendwie ist der Spätmensch Bonden zu Hause geblieben - auch am nächsten Morgen bin ich ohne Wecker sehr zeitig wach. Also wieder eine kleine morgendliche Fototour. Die Museumswerft ist hochinteressant - was mag das werden, wenn es mal fertig ist?

 

Nach dem Frühstück legten wir ab, und es gab einen weiteren Höhepunkt: Wir legten unter Segeln ab! Altgediente Hendrika-Mitsegler wussten zu berichten, dass sie das bisher nur ein- oder zweimal erlebt haben. Ich durfte auf meiner ersten Fahrt gleich dreimal dabei sein - es ist einfach nur ein unglaublich stolzes Gefühl, wenn der Motor schweigt und nur der Wind dafür sorgt, dass wir einen Hafen verlassen. Gänsehaut und feuchte Augen garantiert! So froh ich war, an Bord zu sein - gern hätte ich das auch einmal von Land aus gesehen.... So sind die Bilder eher unspektakulär, aber dennoch schön, wie ich finde.

Am Kai standen jedenfalls unglaublich viele Menschen, und so ziemlich jeder hatte ein Smartphone oder eine Kamera in der Hand und fotografierte oder filmte das Ablegemanöver. Und ich dachte so, dass ich, wenn ich jetzt auch dort an Land stehen würde, voller Sehnsucht rüber zur Hendrika schauen würde und mir wünschen würde, ich wäre jetzt an Bord. Und ich freute mich diebisch, dass ich an Bord war...

 

Heute ist mein großer Tag, denn heute wird sich ein ganz großer Wunsch erfüllen: Ich entere erstmals auf! Aufregung pur für mich. Trish, unsere Matrosin, legt mir das Gurtzeug an und erklärt mir, auf was ich zu achten habe. Und da es mein erster Aufstieg ist, bringt sie mir meine Kamera hoch, damit ich mich voll auf das Aufentern konzentrieren kann. Ich hake mich in das Sicherungsseil und steige auf die Backbord-Bordwand, gehe außenbords. Das schwierigste ist die erste Stufe, denn die erste Webleine ist für mich, der ich auf dem Rand der Bordwand stehe, etwa in Brusthöhe. Aber schnell bin ich mit den Füßen in den Webleinen, halte mich an den Wanten fest und steige ruhig, wenn auch innerlich aufgeregt, höher. Boh, ist das toll! Die Schiffsbewegung erhöht den Spaß, ich könnte schreien vor Glück! Als ich am Ende der Wanten angekommen bin, erklärt mir Trish, die über Steuerbord aufgeentert ist und mich oben schon erwartet, wie ich auf die kleine dreieckige Saling komme. Aber das traue ich mir nicht zu, nicht aus Angst, sondern aus Mangel an Gelenkigkeit, da bin ich ehrlich. Also verharre ich in den Wanten stehend, Trish reicht mir meine Kamera, und ich schieße etliche Fotos. Gern würde ich noch eine Weile hier oben bleiben, aber jetzt kommt das Kommando vom Skipper, dass ich runterkommen soll, da gleich wieder ein Manöver gefahren werden soll, bei dem er niemanden da oben haben will. Ich steige total glücklich wieder runter und weiß, dass ich bei nächstbester Gelegenheit wieder hier hoch will.

Nach mir steigen etwas später unsere jüngsten Mitseglerinnen nach oben und entern natürlich auch die Saling. Ja, ich beneide die beiden ein wenig, aber ich bin restlos zufrieden mit dem, was ich heute erlebt habe.

 

Später müssen die Vorsegel wieder eingeholt und verpackt werden; beim Innenklüver bin ich dabei. Na dann mal los, Gurtzeug an und rein ins Klüvernetz! Bei Wind und Wellen macht das doppelt Spaß.

 

Wir legen am Ende des Tages im Hafen von Søby an; wir sind wieder in Dänemark. Und da ist auch wieder die LOVIS.

 

Heute Abend ist Bordfest! Das Motto lautet "Schwarz-Weiß" - das lässt Raum für viele Ideen. Und tatsächlich sind die Kostümierungen, die dann schließlich präsentiert werden, so vielfältig wie köstlich.Die zwei Herren, die hier den Bonden einrahmen, kennt man ja wohl...

Ansonsten kann ich berichten, dass das Bordfest ein voller Erfolg war - weitere Bilder können hier leider aus ... Gründen nicht gezeigt werden...