Frühjahrssegeln mit der Hendrika Bartelds 2016

 

Tag 7

Am nächsten Tag frühstücken wir eine Stunde später als sonst; dieses kleine Zugeständnis an einen sehr fröhlich-turbulenten Abend gönnen wir uns. Dann aber legen wir sehr schnell ab; der Skipper möchte heute nicht allzu lange auf See sein, da für den späten Nachmittag unwetterartige Winde gemeldet wurden.
Es wird ein sehr entspanntes Segeln, und wir legen bereits um 15.00 Uhr im dänischen Marstal an. Vorher aber steige ich endlich in den Mast. Es ist wieder ein erhabenes Gefühl, dort oben zu sein, den Blick über den Horizont schweifen zu lassen, runter auf das Deck zu schauen und die Schiffsbewegungen hier oben viel intensiver als an Deck zu spüren.

 

Marstal ist ein hübscher kleiner Ort, der aber einiges zu bieten hat. Das Wichtigste: Ein Schifffahrtsmuseum! Leider hat es nur bis 16.00 Uhr offen, also heißt es schnell sein. Zum Glück ist es keine 200 Meter vom Hafen entfernt. Die erste Frage beim Bezahlen gilt der Fotografiererlaubnis: Kein Problem! Also wird Kamikaze-Tourismus betrieben, denn so klein und unscheinbar das Museum von außen wirkt - es ist unglaublich, wieviele Exponate in den teilweise recht kleinen, verwinkelten Räumen untergebracht sind. Allein schon die 250 Schiffsmodelle, fast alles Segelschiffe, sind faszinierend. Dazu kommt dann noch ein großes, frei zugängliches Außengelände, auf dem man u.a. sehen kann, wie in traditioneller Bauweise ein Schiffsrumpf für ein Segelschiff entsteht.

(Alle Bilder aus dem Museum mit freundlicher Genehmigung des Marstal Søfartsmuseum - Mange tak, Direktor Kromann!)

Marstal hat aber noch mehr zu bieten. Es gibt ein Trockendock. Noch aktiv, an diesem Tag aber leer. Und was in Deutschland wahrscheinlich - nein, mit Sicherheit undenkbar wäre: Hier kann man einfach so reinspazieren, sich alles ansehen, darin herumlaufen, auf die seitlichen Spundwände klettern, ohne dass einen jemand aufhält oder illegalerweise irgendwelche Absperrungen überwunden werden müssten. Unglaublich.

Von dort oben hat man einen herrlichen Blick über die See, und ich sehe zwei weitere Segelschiffe, die den sicheren Hafen von Marstal ansteuern. Es ist die ABEL TASMAN und die ETHEL VON BRIXHAM, die wir schon in Kiel gesehen haben. Sie legen sich vor unser Schiff, und am Ende ist es wieder einmal ein schöner Anblick.

Der Zweimastschoner ABEL TASMAN wurde 1913 in den Niederlanden für die Segelfrachtfahrt gebaut. Seit Ende 1989 ist sie als Charterschiff unterwegs. 

(Es gibt übrigens ein weiteres Segelschiff mit diesem Namen, welches seinen Heimathafen in Lelystad, NL, hat - allerdings ist diese ein Dreimaster, eine schmucke Barkentine. Zu sehen ist sie hier auf meiner Seite auch, man schaue bei den Schiffsbegegnungen nach.)

Der Stagsegelschoner ETHEL VON BRIXHAM ist ein altehrwürdiges Schiff. Gebaut 1890 in Südengland, kam sie nach einer wechselvollen Geschichte schließlich nach Deutschland und hat jetzt ihren Heimathafen in Kiel.

Draußen ist noch ein weiteres Segelschiff, welches sich Marstal nähert, dann aber doch weiterfährt - dabei wäre noch Platz gewesen. Leider habe ich nicht erkennen können, um welches Schiff es sich handelt.

Im Hafen ergaben sich dann noch interessante Fotoimpressionen.

 

Tag 8

Der nächste Tag war dann der heftigste. Der Skipper warnte schon beim Frühstück, wir würden heute ziemlich starken Wind und hohe Wellen haben. Er empfahl, immer draußen zu bleiben, den Blick auf den Horizont zu richten, das Essen und Trinken nicht zu vergessen und im schlimmsten Fall die Luv- und Lee-Regel nicht zu vergessen. 
Nach dem Ablegen fingen die Probleme schon an. Wir hatten Mühe, aus dem Hafen zu kommen. Vor dem Hafen gibt es zwei Fahrrinnen; wir wollten an sich die nehmen, die nach Steuerbord führte. Der Wind aber drohte uns immer wieder gegen die Hafenmauer zu drücken, so dass wir gezwungen waren, die Backbord-Fahrrinne zu nehmen. Wir tuckerten dann unter Motor bis in freies Fahrwasser, fuhren eine Wende, setzten Segel und fuhren die Fahrrinne zurück. Nun konnten wir an der Hafeneinfahrt in die Steuerbord-Fahrrinne einfahren.
Und dann gab es so richtig Spaß! Windstärke 7 und bis zu 2 Meter hohe Wellen. Da wurde es dann doch einigen Leuten etwas grün um die Nasenlöcher. Ok, manche meinten, nicht auf die guten Ratschlägge des Skippers hören zu müssen und das kollektive Sterben in der Messe üben zu müssen.  Aber zu unser aller Ehrenrettung muss erwähnt werden, dass niemand Neptun geopfert hat.

Die Segelmanöver verlangen uns alles ab, aber es macht auch Spaß, sich an diesem Wetter abzuarbeiten. Immer wieder kommen Brecher über die Reling; dank wasserfester Bekleidung steckt man das aber locker weg. Nur die Handschuh sind ewig nass; klar, packt man ein vom Regen und der Gischt getränktes Tau an, ist klar, was passiert. Mittags gibt es nur belegte Brote; die ursprünglich geplante Käse-Lauch-Suppe gibt es dann am nächsten Tag.
Am späten Nachmittag sind wir wieder in deutschen Gewässern und legen in Marsholm an. Alle sind ziemlich erschöpft, aber wir sind auch stolz auf uns, dass wir dieses recht schwere Wetter so gut verarbeitet haben.

 

Tag 9

Am nächsten Tag geht es dann schon wieder Richtung Kiel. An Bord herrscht rege Betriebsamkeit. Sachen packen, klar Schiff machen - eben all das, was am letzten Tag eines solchen Törns zu tun ist.
Als wir wieder an der Blücher-Brücke in Kiel festmachen, sind dort wieder zwei weitere Segelschiffe: Die schon bekannte ABEL TASMAN sowie die STORTEMELK. Dieser Zweimastschoner wurde 1961 als Nordseefischer auf Kiel gelegt und 1992 zum Segelschiff umgebaut. Sie segelt unter holländischer Flagge.

Unsere Reise ist zu Ende; es liegen 230 Seemeilen hinter uns, das meiste davon unter Segeln. Alle sind sich einig: Es war wieder ein fantastischer, wunderschöner Törn, und alle freuen sich schon auf das nächste Jahr, in dem es auf jeden Fall wieder heißen wird: Leinen los, die HENDRIKA BARTELDS sticht mit uns in See!

Die Schokostreusel auf das Sahnehäubchen gab es dann aber auf der Taxifahrt zum Kieler Bahnhof: Ich sehe plötzlich Masten, hohe Masten! Ich frage den Taxifahrer: Oh, was liegt denn da für ein Dreimaster? Er antwortet: Ist kein Dreimaster! Ich: Ein Viermaster? Er: Ja. Ich: Welcher? Er: Die KRUSENSTERN! Wahnsinn! Und dann sah ich sie auch, und das Schöne war: Es war direkt gegenüber dem Hauptbahnhof. Da noch ein wenig Zeit war bis zur Abfahrt unseres Zuges, konnte ich noch reichlich Fotos schießen. Dieser legendäre Flying-P-Liner ist von allen noch aktiven Großseglern dieser Welt mein Lieblingsschiff, und es war mir bisher nicht vergönnt, sie einmal live zu sehen. Also kann man sich sicher meine Freude vorstellen.

 

Und das war er nun, mein Reisebericht vom diesjährigen Frühjahrssegeln. Voriges Jahr war es ja meine erste Reise auf der HENDRIKA - dieses Jahr fühlte ich mich schon als alter Hase und war stolz, den Neulingen das eine oder andere erklären zu können. Ich werde sicher noch lange von dieser tollen Woche zehren und bin im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder dabei.